Der 37. DGS-Kongress in Trier. Der 2. Tag

Ein inhaltsreicher erster Kongresstag liegt hinter mir. Nachdem die gestrige Eröffnungsfeier einen inhaltlichen Ausblick auf die kommenden Tage geben konnte, durften heute die Teilnehmer_innen mit Vorträgen und Diskussionsrunden das Kongressthema aus unterschiedlichster Perspektive beleuchten. Und eben hierbei stellt sich für die Studierendenden die Frage: in welche Veranstaltung soll ich gehen? Allein von 14.15 Uhr bis 16.45 Uhr fanden, laut Programmplan, parallel über 30 (!) Veranstaltungen statt, mit je unterschiedlichen Schwerpunkten. Zwar zeichnet die große Themenvielfalt diesen Kongress in besonderer Weise aus, jedoch ist es für uns bei diesem Angebot schwierig, Prioritäten zu setzen und sich zu entscheiden. Der wissenschaftliche Fokus und das spezifische Interessengebiet sind im Vergleich zu ebenso etablierten wie spezialisierten Wissenschaftlern eben nicht in gleichem Maße entwickelt. Es gilt also, aus einer Fülle an Themen zu wählen.

Ich habe mich unter anderem für die Mittagsvorlesung von Michèle Lamont entschieden, da ihre Arbeiten für mein praxisbezogenes Forschungsprojekt „Kunst und Schrott“, zu dem ich im Rahmen dieses Kongresses eine Posterausstellung mitgestalte, in vielerlei Hinsicht maßgebliche Anstöße gaben. Sie lieferte in ihrem Vortrag einen Abriss über ihr bisheriges wissenschaftliches Schaffen und verwies auf aktuelle Forschungsarbeiten, die der Frage nachgehen, wie stigmatisierte Gruppen auf eben diese Stigmatisierung reagieren und antworten. Ihr Vortrag basierte letztlich auf drei Vorlesungen, die sie auf 45 Minuten heruntergekürzt hatte. Ich muss zugeben, dass der Umfang an Informationen, die sie in dieser kurzen Zeit präsentierte, mitunter schwer zu verarbeiten war. Es war jedoch allemal bereichernd, Frau Lamont persönlich erleben zu dürfen und auf diese Weise einen neuen Einblick in die Vielfalt ihrer Arbeit zu gewinnen.

Ein weiteres Highlight des heutigen Tages war sicherlich die Abendvorlesung von Bettina Heintz, in der sie ein Plädoyer für eine „Soziologie des Vergleichs“ hielt. So stellte sie einen definitorischen Rahmen hinsichtlich der Methode des Vergleichs vor, der an verschiedene Theorierichtungen anschlussfähig ist. Darüber hinaus beleuchtete sie die empirischen, bisher allerdings wissenschaftlich weitestgehend unbeachteten Forschungsmöglichkeiten hinsichtlich kultureller, religiöser oder sportlicher Relationierungen. Sie gestaltete ihren Vortrag auf einem intellektuell sehr hohen Niveau, doch es gelang ihr die Ausführungen mit interessanten und anschaulichen Beispielen zu untermauern, sodass es eine Freude war, ihr zuzuhören.

Ein langer Kongresstag geht zu Ende, der sehr viel Input mit sich brachte. Es braucht sicher noch ein bisschen Zeit, das Gehörte zu verarbeiten und so für mich und meine weitere Arbeit fruchtbar machen zu können. Alles in allem muss man den Referent_innen, dem Organisationsteam und all den Menschen im Hintergrund (Technik-, Mensa- und Cafeteria-Personal und viele andere mehr) ein großes Lob aussprechen, denn es ist deutlich zu spüren, dass jeder hier bestrebt ist, seinen Teil zum größtmöglichen Erfolg dieses Kongresses beizutragen.

Der 37. DGS-Kongress in Trier. Der 1. Tag

„Keep calm and carry on.“ Unter dieses Motto stellte Dr. Nicole Zillien, stellvertretende Sprecherin des Kongresses, ihre einführenden Worte bei der heutigen Auftaktveranstaltung des 37. DGS-Kongresses in der Europahalle Trier. Der Slogan, der ursprünglich die Moral der britischen Bevölkerung im zweiten Weltkrieg stärken sollte und sich seit etwa 15 Jahren als Motto in unterschiedlichen Kontexten zunehmender Beliebtheit erfreut, steht sinnbildlich für das Verhältnis von Krisen und Routinen – dem Leitmotiv des diesjährigen Soziologie-Kongresses. Die Renaissance dieses Slogans in den letzten Jahren verweist uns auf den routinierten Umgang mit krisenhaften Situationen in (post-)modernen Gesellschaften: Ruhe bewahren und fortfahren – auch in Krisenzeiten.

Neben Frau Zillien sprachen an diesem Abend selbstverständlich noch andere Repräsentanten der Universität Trier, der DGS sowie der Stadt Trier und des Landes Rheinland-Pfalz. So stellte Doris Ahnen, die rheinland-pfälzische Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur den Bezug zu aktuellen weltpolitischen Krisen (IS, Ukraine, Schuldenkrise) her und sendete eine Grußnote an das Gastland Polen unter Würdigung des deutsch-polnischen Verhältnisses. Klaus Jensen, Oberbürgermeister der Stadt Trier, ging aus kommunalpolitischer Perspektive auf das Thema Krisen ein. So stellte er beispielsweise die Frage, ob die niedrige Wahlbeteiligung (32,7%) zur Wahl seiner Nachfolge im Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Trier am vorletzten Sonntag, als Krise der Demokratie gedeutet werden kann. Prof. Dr. Michael Jäckel, der Präsident der Universität Trier, stellte in seiner Rede die Vorzüge und Besonderheiten des Campus heraus und würdigte die Universität als Impulsgeber für die ganze Region. Nach weiteren Grußworten des Sprechers des Kongresses, Prof. Dr. Martin Endreß, und des Vorsitzenden der DGS, Prof. Dr. Stephan Lessenich, fand der Hauptprogrammpunkt des heutigen Abends statt – ein Vortrag der Präsidentin der Humboldt-Viadrina School of Governance, Prof. Dr. Gesine Schwan. Leider konnte ich die Reden von Herrn Endreß, Herrn Lessenich und Frau Schwan nicht verfolgen, denn die Pflicht rief.

Ich hatte meine erste Schicht als HiWine und war eingeteilt, die Besucher_innen zu empfangen und bei Fragen mit Rat und Tat als „Krisenroutinier“ (an dieser T-Shirt-Aufschrift erkennt man die studentischen Helfer_innen des Kongresses) zur Seite zu stehen. Hierbei konnte ich einige Eindrücke von der Atmosphäre gewinnen, die einen vielversprechenden Ausblick auf die kommenden Tage erlauben. Es herrschte eine fast schon familiäre Stimmung, viele Teilnehmer_innen kannten einander, begrüßten sich herzlich und unterhielten sich angeregt. Auch als Helferin war es sehr angenehm, auf die Gäste des Kongresses zu treffen, da sie immer auch ein Lächeln für uns Hilfskräfte übrig hatten und uns offen und freundlich begegneten. So verspricht der erste Kongressabend einen positiven Verlauf der kommenden Tage, auch außerhalb der Vortragssäle.

Während die heutige Veranstaltung außerhalb des Campus stattfand, liefen auch in den Räumlichkeiten der Universität heute die letzten Vorbereitungen auf Hochtouren. Räume wurden beschildert, Verlage bauten ihre Stände auf und noch einige Plakate wurden platziert. Für alle, die zwischen den Veranstaltungen eine Auszeit brauchen: im C-Gebäude, Raum C22, wurde zudem eine Lounge eingerichtet, in der man sich mit anderen Besucher_innen im lockeren Rahmen austauschen kann.

Freuen wir uns also auf ein paar spannende Tage und einen ergebnisreichen Austausch. Abschließend bleibt zu hoffen, dass Ministerin Ahnens Zusicherung, die Ergebnisse des Kongresses würden auch in der Politik verfolgt, zutreffen mag, sodass die Inhalte über den wissenschaftlichen Diskurs hinaus auch im politischen Diskurs Beachtung finden werden. Denn die Sozialwissenschaften betreiben ihr Geschäft nicht nur selbstreferenziell, sondern finden ihren Sinn eben auch darin, der Gesellschaft mit ihren Erkenntnissen neuen Input zu geben. Und wenn alles nichts hilft: „Keep calm and carry on.“