»Im Geist von Alice – aber mit Make-up und Minirock«. Postfeministische Pirouetten

Kann Feminismus nicht auch sexy sein? Stehen ›knappe Outfits, Make-up und Kleider‹ tatsächlich im Widerspruch zu feministischer Politik? Auf diese Frage, die keine ist, wurde in den vergangenen Jahren die Auseinandersetzung um die Zeitgemäßheit von Feminismus oft zugespitzt. Auch mein Beitrag in der letzten Woche könnte als eindeutige Antwort auf diese Nicht-Frage gelesen werden: Minirock ist Zwang und damit nicht-feministisch. Beleuchten wir die »postfeministische Maskerade« (Angela McRobbie) daher noch einmal etwas genauer.

Die Äußerung der Mitarbeiterin des Wuppertaler Gleichstellungsbüros steht für eine durchaus exemplarisch zu nennende, unserer Zeit und Dynamik angemessene – for better or worse – feministische Haltung. Diese äußert sich gerade nicht in ausschließlich dezidierter, gar apodiktischer Ablehnung feministischer Inhalte. Doch um Feminismus, seinen Beitrag für die Freiheitsgewinne von Frauen (und Männern) honorieren, und auch, um sich in einer vermeintlich entideologisierten Weise das viel geschmähte F-Wort aneignen zu können, scheint es unumgänglich, sich zunächst von einem vorgeblich einstmals existiert habenden verbiesterten Spaßbremsen-Feminismus zu distanzieren.

In dieser Pirouette, der Bewegung der simultanen Bezugnahme auf und Zurückweisung von Feminismus, zeigt sich indes nicht nur weibliches Selbstbewusstsein, dass Minirock und feministisches Engagement zu verbinden weiß, sondern womöglich auch die Furcht, überhaupt als Feministin wahrgenommen zu werden. Eine Furcht, um die die erste Bundesfrauenministerin der BRD, Rita Süssmuth, weiß: dass nämlich das »Wort Selbstbestimmung in Verbindung mit Frauen immer noch ein Reizwort, eine Provokation« sei, mache es doch den »Kern einer eigenständigen freien Existenz« aus. So schreibt es Süssmuth in einem Text zum 50-jährigen Jubiläum von Simone de Beauvoirs Le deuxieme sexe.

Betrachten wir diese doppelte rhetorische Bewegung der Distanzierung von und des gleichzeitigen Rekurs auf Feminismus in diesem Süssmuthschen Licht, so wird deutlich, was hier noch auf dem Spiel steht: der Verlust von Intelligibilität. Denn insofern Feminismus eine Chiffre für weibliche Freiheit und Selbstbestimmung ist und insofern dieses Wort »Selbstbestimmung in Verbindung mit Frauen immer noch ein Reizwort, eine Provokation« darstellt, dies Werte sind, die als letztendlich mit Weiblichkeit unvereinbar gelten, riskiert jede Frau, die mit diesen Werten in Verbindung gebracht wird, aus den »Schemata der Intelligibilität« (Judith Butler) herauszufallen. Was hier droht, ist der Verlust der An|Erkennbarkeit als Frau, als Geschlecht, sofern sie sich (zu) eindeutig zu diesen Werten bekennt beziehungsweise damit assoziiert wird.

Hatte Rita Süssmuth noch erklärt, Feministin zu sein, sei das Mindeste, »was eine Frau tun kann«, scheuen daher Frauen heute, allen voran die jetzige Bundesfrauenministerin, keine Mühe, deutlich zu machen, dass sie mit einem (vorgeblich) Männer bekämpfenden Feminismus nichts zu schaffen haben. Indem sie sich von einem Feminismus distanzieren, der die als naturgegeben behauptete Ordnung heterosexueller Zweigeschlechtlichkeit anzweifele, suchen sie sicher zu stellen, dass sie selbst doch noch immer Frauen sind, genauer: als solche an|erkennbar sind. Und zwar eine im zwar neoliberal modernisierten, gleichwohl immer noch patriarchal-heteronormativ organisierten Gefüge verankerte Frau. Eine Frau, die Autonomie, Macht und gleiche Teilhabe beansprucht, zu Recht beansprucht, die aber zugleich versichert, dies sei für alle Beteiligten eine reine win-win-Situation. Eine Frau obendrein, die den heterosexuellen Kontrakt nicht in Frage stellt und dessen zentrale Klausel, die Zugewandt- und Zugehörigkeit der Frau zum Mann, akzeptiert: Mit einem Feminismus, der Männer bekämpft, hat diese Frau nichts zu tun.

Was hier stattfindet, ist die Einwilligung in einen geschlechterpolitischen New Deal: Gleichheit, ohne dass die Machtfrage zwischen den Geschlechtern gestellt werden muss; vorgeblich zu haben ohne Umverteilung von Macht und Ressourcen zwischen ihnen, innerhalb der gegebenen gesellschaftlichen Verhältnisse und ohne radikale Umgestaltung heteronormativ organisierter Geschlechterverhältnisse und -arrangements. Zu haben allerdings nur um den Preis der aktiven Nicht-Zurkenntnisnahme des ›Kleingedruckten‹: die erneute Befestigung heterosexualisierter Geschlechternormen, die die Grenzen der (geschlechtlichen) An|erkennbarkeit neu organisieren.

9 Gedanken zu „»Im Geist von Alice – aber mit Make-up und Minirock«. Postfeministische Pirouetten“

  1. Und wie kleidet frau sich jetzt feministisch? Ich bin Feministin. 46 Jahre alt. Meine Positionen gewinne ich nicht über Distanzierung, sondern durch Kritik. Ich schätze die Leistung von Alice Schwarzer, aber ich teile nicht alle Ihre Positionen. (Z.B. nicht die zu PorNo und zum Kopftuch.)
    Ich trage meistens Röcke. Hosen finde ich zwanghaft und unbequem. Lippenstift verwende ich selten, aber rosé farbenen Lipgloss. Ich schminke mich (meist). Meine Schuhe sind halbhoch. Flache mag ich nicht so gern, denn ich bin klein.
    Ich wünschte mehr Männer meines Alters würden ein wenig mehr auf ihr Äußeres achten, sich dem Zwang oder der Mühe unterziehen, einen eigenen Stil zu finden. Wenig finde ich so dumm, wie die Unterscheidung zwischen Äußerlichkeiten und „inneren Werten“, zwischen Geist und Körper. Gerade Frauen, finde ich, deren Kunstschaffen als „Handarbeit“, „Mode“, „Verzierung“ abgetan wurde und die auf ihre Körperlichkeit reduziert wurden, könnten das kapieren.
    Ich will kein „Hausmütterchen“ sein, niemand zur Verfügung stehen (weder sexuell noch als Putze), aber ein traditionelles Männerleben (Vollzeitjob, Anzug/Blaumann, Kumpels statt Freundinnen) ist nicht mal eine Sekunde lang eine Alternative.
    Nee, ich behalte meinen Mini-Rock an (gern auch knielang). Und bin so gut Feministin wie eine in Latzhosen!

  2. Also wenn Feministin sein mit so einer Kleider-Ordnung, besser gesagt einem Kleiderzwang „bloß nicht feminin“ einhergeht, dann will ich auch keine mehr sein. Das ist für mich genauso ein Zwang und ein „mich verbiegen“ wie wenn ich als Heimchen hinter’m Herd bleiben soll.
    Ich fühle mich in Hosen eingeengt und in Röcken, auch Miniröcken, wesentlich wohler und mehr als ich selbst. Hier wird wieder das feminine als miderwertiger hingestellt und entspricht damit nicht meinen Vorstellungen von Feminismus, ich finde das im Gegenteil sogar ziemlich sexistisch. Gerade solche Positonen sind es, wegen denen einige sich nicht als Feministinnen bezeichnen wollen.
    Wenn für die Autorin Miniröcke unangenehm zu tragen sind, soll sie’s einfach lassen, aber was fällt ihr ein, sich in die Garderobe anderer Feministinnen einzumischen?

  3. Hallo, Frau Hark,

    das geht doch nur auf, wenn man Minirock tragen muss, um schick zu sein. und wer trägt auf einem Podium, wo sie Autorität anerkannt haben will, einen Minirock? Ich halte das Kleidungs-Problem wirklich für nachrangig.

    Anders ist es natürlich, wenn man eine Pornografisierung der Gesellschaft befürchtet, so wie es viele Feministinnen tun, gerade auch im Kontext Internet. Doch ich finde, von italienischen Verhältnissen sind wir hier noch entfernt. Und ich finde auch, dass von Feministinnen in diesem Bereich viel zu häufig auch nach „einfachen Lösungen“ (wie zum Beispiel Internetsperren) gerufen wird.

    Drittens finde ich den doch harschen Rekurs auf heterosexuelle Beziehungen äußerst problematisch. Sind es nicht gerade die heterosexuellen Frauen, die in der pariarchalen Gesellschaft erreicht werden sollten? Sind es nicht vor allem sie, die unter dem Problem Care-Arbeit (für Kinder und Alte) und Arbeitsmarkt zu leiden haben? Sind es nicht sie, die die Kämpfe zu führen haben? Sollte man sie nicht stärken, anstatt sie nicht ständig als „in den Armen der Männer“ zu beschimpfen?

    Schöne Grüße,

    Julia Seeliger

  4. Hallo Frau Hark,

    zuerst: natürlich ist ihr Text gut verfasst. Irgendwie werden sie es ja zum Lehrstuhl gebracht haben. Und ich finde, dass sie Recht haben: Wir müssen die Machtfrage stellen. Doch wie sieht die aus? Hierbei finde ich ihre Gedanken zu kuz gefasst. Es geht nämlich auch um Verteilung von Gütern. Und die ist nicht deckungsgleich mit Macht, wie ich sie verstehe, wie sie in unserer Gesellschaft herrscht.

    Nehme ich ihre vermeintliche Definition von Macht, so wird diese lediglich in der öffentlichen Sphäre verortet (was in Bezug auf Verteilung auch Sinn macht) – die private Sphäre erscheint machtlos (was in Bezug auf Verteilung auch stimmt) Aber genau da muss ich ihnen vehement widersprechen.

    Die letzen 40 Jahre standen im Zeichen des Kampfes für die Machtausübung der Frau im öffentlichen Raum. Nennen wir es ruhig so platt. Und das hat ja auch ganz gut geklappt, auch wenn noch sehr viel zu tun ist.

    Die traditionelle Machtausübung der Frau liegt ja seit jeher im Privaten. Und dort gibt es auch Macht – nicht breit effektiv bezogen auf Verteilung, jedoch in Bezug auf die Ausbildung kindlicher Psychen zB. Eine Mutter hat wahnsinnig viel Macht. Das ist natürlich ein Effekt des unsäglichen Muttermythos. Diesen zu brechen ist meiner Meinung nach die wichtigste Aufgabe des Feminismus.

    Mehr noch: Die private Sphäre nun muss den Männern geöffnet werden. Eine Öffnung der öffentlichen Sphäre (sic!) für Frauen bedeutet, bei Verweigerung der Öffnung der privaten Sphäre für Männer eine unzumutbare Doppelbelastung. Frauen verteidigen ihr Reich, das Private, ebenso wie die Männer das Öffentliche. Konsequenz: Die Männer müssen sich die Machtausübung in dieser privaten Sphäre erkämpfen, wie die Frauen in der öffentlichen. Anders geht es nicht. Anders führt es zur Ausgrenzung auf der einen und Doppelbelastung auf der anderen Seite.

    Auch muss ich meinen Vorrednerinnen zustimmen. Einen Dresscode, eine Einteilung in gut und böse, eine Abwertung heterosexueller Beziehungen (Mit dem Feind im Bett ist immer noch eine geläufige Formel) verschreckt exakt die Frauen, die addressiert werden müssen.

    Nicht, dass sie nicht auch ihr Klientiel bedienen sollen dürfen, aber eine offene wissenschaftliche Diskussion dazu wünsche ich mir doch sehr.

    Beste Grüße
    Julia Schramm

  5. Haben Sie zu dem Text von Rita Süßmuth zu „Le deuxième sexe“ genauere bibliographische Angaben? Würde mich interessieren. Ansonsten sehr guter Text, Kompliment!

    1. der text von Rita Süssmuth ist erschienen in einem band hg. von Alice Schwarzer „Man wird nicht als Frau geboren. 50 Jahre nach dem ‚Anderen Geschlecht‘ ziehen Schriftstellerinnen und Politikerinnen gemeinsam Bilanz: Wo stehen die Frauen heute?“ (Köln 2000).
      bestens, sh

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