Call for Papers

Gelebte Utopien – alternative Zukunftsvorstellungen und Entwicklungsentwürfe

Deadline: 26. August 2024

Spätestens in den letzten zwei Jahrzehnten sind westlich geprägte Entwicklungsentwürfe vor allem im Kontext von post-Development (zu Recht) für ihren hegemonialen Charakter kritisiert worden, sodass sich die Aufmerksamkeit der Forschung zunehmend auf ›alternative‹ Vorstellungen von einer besseren Zukunft richtet. Konzepte wie ›buen vivir‹ in Lateinamerika oder ›ubuntu‹ in Südafrika manifestieren ebenso wie sogenannte indigene Entwicklungskonzepte in Asien, die sich in verschiedenen Teilen des Globalen Südens durchaus Gehör verschaffen konnten und teilweise Anerkennung durch staatliche Akteure erfuhren, indem sie rechtlich abgesichert wurden, den Wunsch nach alternativen Zukunftsvorstellungen. Gleichzeitig muss konstatiert werden, dass modernisierungstheoretisch geprägte Entwicklungskonzepte nach wie vor zur Anwendung kommen, wobei nicht nur internationale Finanzinstitutionen, bi- und multilaterale Geber, sondern auch die Staaten selbst für deren Verbreitung und Legitimierung sorgen – nicht selten ohne Bedürfnissen und Interessen ›ihrer‹ Bürger:innen Beachtung zu schenken. Solche Entwicklungsstrategien, die nicht selten mit ›Neoliberalisierung‹ in Zusammenhang gebracht werden, rufen wiederum Protestakteure auf den Plan. Während sich einerseits aufgrund der vermeintlichen Alternativlosigkeit zu einer kapitalistischen Wirtschaftsweise eine gewisse Perspektivlosigkeit eingestellt hat, kann anderseits beobachtet werden, wie soziale Bewegungen vermehrt gegen neoliberale Wirtschaftspolitiken und deren gesellschaftliche Konsequenzen protestieren. Vielfältige Formen des Widerstands resultieren nicht nur in mitunter gewaltsam ausgetragenen Protesten, sondern stoßen sowohl bewegungsinterne als auch breitere gesellschaftliche Diskussionen über alternative Vorstellungen vom ›besseren Leben‹ an. Jenseits der breiten Öffentlichkeit formieren sich wiederum weitere gesellschaftliche Gruppen, Organisationen, Kommunen, Ökodörfer sowie andere Formen der solidarischen und nachhaltigen Ökono- mie, um alternative Lebensformen, Produktionsweisen und Entscheidungsmechanismen zu etablieren. Diese sind mitunter von spirituellen und religiösen Vorstellungen geprägt und haben eine lange Geschichte, wie Lebensreform-Bewegungen oder kommunistische Kolonien um 19. Jahrhundert verdeutlichen. Hierbei handelt es sich längst nicht mehr um lokale, gar auf den globalen Süden begrenzte Phänomene. Vielmehr können wir beobachten, dass sich soziale Bewegungen und jene anderen gesellschaftlichen Akteure transnational vernetzen und Visionen von einer besseren Zukunft in globalem Maßstab denken. Beispiele hierfür sind aktuelle Diskussionen über degrowth, nachhaltigen Konsum oder die Abkehr von imperialen

Call for Papers Gelebte Utopien – alternative Zukunftsvorstellungen und Entwicklungsentwürfe Lebensweisen, die in unterschiedlichen Teilen der Welt, wenn auch mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung, geführt werden.

Mit diesem Call for Papers wollen wir uns mit der möglichen (sowohl theoretisch-konzeptionellen als auch methodisch-methodologischen) Bedeutung von alternativen Zukunfts- und Entwicklungsentwürfen und ihrer Praxis in sogenannten gelebten Utopien auseinandersetzen. Daher sind sowohl konzeptionelle als auch empirische Beiträge gefragt, die beispielsweise das Verhältnis von ›neuen‹ und ›alten‹ Entwicklungs- und Zukunftsvorstellungen sowohl aus struktureller als auch aus akteurszentrierter Perspektive beleuchten.

Wir wünschen uns Beiträge zu folgenden Themen bzw. Fragen:

  • Welche ›neuen‹ und ›alten‹ Zukunfts- und Entwicklungsvorstellungen, Visionen und Utopien zirkulieren in den Gesellschaften? Welche unterschiedlichen räumlichen Bezüge weisen sie auf?
  • In welchem Verhältnis stehen Zukunftsvisionen und Utopien zum gesellschaftlichen Mainstream, und wie sind Bewegungsakteure und andere soziale Gruppen, welche Alternativen anstreben, gesellschaftlich eingebunden? Inwieweit sind Zukunftsvorstellung ›neu‹ oder ›rückwärtsgewandt‹?
  • Welche Vorstellung von Zeit und Zeitlichkeit sind den Vorstellungen, Visionen und gelebten Utopien inhärent?
  • Welche Praktiken und Strategien verfolgen die gesellschaftlichen Akteure im Streben nach einer alternativen Zukunft?
  • Welche Aushandlungsprozesse von Zukunftsvisionen finden in transnationalen und translokalen sozialen Räumen statt?
  • Wie stehen und interagieren die Zukunftsentwürfe mit denen ›klassischer‹ Entwicklungsakteure, zu denen auch der Staat gehört? Welche neuen Chancen und Grenzen der Kooperationen mit Unternehmen (bspw. CSR, ›green-washing‹) entstehen?
  • Welche Möglichkeiten und Grenzen der Adaption ›erfolgreicher‹ Modelle andernorts können identifiziert werden?
  • Schließlich wirft die Erforschung alternativer Zukunfts- und Entwicklungsvorstellungen methodische Fragen auf. Gerade im Kontext post-/dekolonialer Debatten stellt sich die Frage nach der Legitimität von Repräsentationen bzw. den Techniken, die deren Herstellung dienen.

Redaktionsschluss für Artikel ist der 26. August 2024.

Manuskripte, Rücksprachen zu möglichen Beiträgen und weitere Fragen richten Sie bitte aninfo(at)zeitschrift-peripherie.de. Weitere Hinweise für Autor:innen stehen auf unserer Website unter https://www.zeitschrift-peripherie.de zum Herunterladen bereit.