Die Anforderungen an gegenstandsangemessene Forschungsstrategien und methodische Zugänge haben sich für die Arbeitsforschung in den zurückliegenden Jahren beständig verändert bzw. erweitert, so z.B. durch die stärkere Berücksichtigung von Arbeitskontexten jenseits der Industriearbeit, die Subjektivierungsdiskussion, die Entgrenzung arbeitsorganisatorischer Kontexte, die Hinwendung zu einem erweiterten Arbeitsbegriff, die Fragmentierung von Arbeitsprozessen oder die stärkere Digitalisierung und Internationalisierung des Arbeitshandelns. Des Weiteren ist die Arbeitsforschung zunehmend geprägt durch eine Projektförderung, die den Fokus auf umsetzungs- und transferorientierte Forschungsergebnisse etwa im Rahmen von Verbundprojekten legt.
Während fortlaufend Forschungsprojekte durchgeführt werden, die sich mit solchen Anforderungen auseinandersetzen, findet eine systematische Reflexion des forschungsstrategischen und methodischen Umgangs mit diesen Anforderungen bislang nur punktuell statt. Beispiele hierfür sind ein institutsübergreifendes Projekt zu Fallstudien als einer genuin industriesoziologischen Forschungsstrategie (Pongratz/ Trinczek 2010), Handbuchartikel zu Methoden in der Arbeitssoziologie (Menz/Nies 2018) oder zu Mixed Methods in der Organisationsforschung (Hense/Schork 2017), der Versuch, die Sekundäranalyse als eine neue Forschungsstrategie in die Arbeitsforschung einzuführen (Dunkel/Hanekop/Mayer-Ahuja 2019), sowie vereinzelt Entwürfe, die Einbettung von Mikropraktiken des Arbeitsprozesses in weitergefasste soziale und gesellschaftliche Strukturen in ein methodisches Konzept zu überführen (Kalbermatter 2022).
Das Schwerpunktheft möchte dazu beitragen, typische methodische Probleme der Studien zu Arbeit sowie die gegenstandsadäquate Weiterentwicklung des Methodenrepertoires und die Entwicklung neuer Forschungsstrategien in den Fokus zu rücken. Dabei sollen Probleme behandelt werden, wie sie sich vor allem bei qualitativ angelegten Untersuchungen im Bereich der Arbeit stellen: Wie kann ich das Sampling gestalten? In welcher Weise stellt sich das Problem der Generalisierung und wie versuche ich dieses zu lösen? Wie beziehe ich Subjekt- und Objektperspektive aufeinander? Wie vermeide ich Stereotypisierungen oder Essentialisierungen durch die Definition der Befragtengruppe? Usw.Methodischen Herausforderungen hinsichtlich Fallauswahl, Feldzugang, Erhebung und Auswertung wird zwar forschungspraktisch begegnet, sie werden aber nur selten in generalisierbarer Form reflektiert und zum Gegenstand einer Debatte gemacht. Mit dem Schwerpunktheft soll hingegen eine methodologische Reflexion über gegenstandsangemessene Forschungsstrategien erreicht werden, wie sie i.d.R. nicht auf wissenschaftlichen Tagungen oder in Publikationen stattfindet, da hier zumeist auf die Forschungsergebnisse fokussiert wird. Ziel ist es, eine Reihe von Beiträgen zu versammeln, die sich an einigen der nachfolgenden Fragen orientieren:
• Was sind aktuelle methodische Herausforderungen in der Arbeitsforschung? Welche typischen Probleme gibt es beim Sampling/Feldzugang, bei der Datenerhebung, -auswertung und -darstellung? Und welche Forschungsstrategien wurden hierfür entwickelt?
• Wie lassen sich Forschungsstrategien, Erhebungs- und Auswertungsverfahren der Arbeitsforschung methodologisch bzw. wissenschaftstheoretisch begründen? Auf welche theoretischen Grundannahmen, typischen Problemkonstellationen und methodologischen Herausforderungen sollte hierbei Bezug genommen werden?
• Auf welcher theoretischen und methodologischen Basis beruhen Generalisierungsstrategien der Arbeitsforschung? Welche Strategien zur Vermittlung von Theorie und Empirie lassen sich formulieren? Welche Rolle spielen theoretische und feldspezifische Vorkenntnisse und Vorannahmen und wie lassen sich diese mit gegenstandsadäquater Offenheit verbinden? Wie gelingt die Verbindung von Subjekt und Struktur?
• Auf welche Veränderungen des Forschungsgegenstandes bzw. der methodischen Perspektive sollte wie reagiert werden? Welche Herausforderungen durch die Veränderungen des Gegenstandsbereichs ›Arbeit‹ ergeben sich für die Forschungsmethoden, welche methodischen Innovationen sind aufgrund neuer Formen von Arbeit nötig? Welche analytischen und theoretischen Perspektiven sind methodisch bislang zu wenig berücksichtigt und wie können diese methodisch bearbeitet werden?
• Welche forschungspraktischen Probleme treten typischerweise in der Durchführung von Projekten im Feld der Arbeitsforschung auf und wie können diese systematisch in der Formulierung methodologischer Konzepte berücksichtigt werden?
• Welche neuen Möglichkeiten und Herausforderungen ergeben sich durch die vermehrte Verfügbarkeit digitaler Daten und neuer Möglichkeiten der Computational Social Science? Inwiefern lassen sich digitale Daten in Betrieben, Organisationen, Verbänden oder auch von Beschäftigten erfassen und mit anderen Daten kombinieren?
• Welche Datenquellen sind bislang noch nicht ausreichend ausgeschöpft worden? Und was ist bei der Nutzung zu berücksichtigen? Welche Datenarten (ergänzend zur Konzentration auf verbale Daten) sind noch zu wenig berücksichtigt worden und inwiefern ergänzen sie die bisherigen Analyseperspektiven? Welche Möglichkeiten eröffnen sich durch die sekundäranalytische Nutzung bereits vorliegender (älterer) Studien? Welche Forschungsfragen ließen sich hier bearbeiten, welche Forschungsstrategien ließen sich hier verfolgen?
Erwünschte Beiträge
Erwünscht sind Beiträge aus der Arbeitsforschung, die sich mit den skizzierten methodischen Problemen auseinandersetzen. Es sind solche Beiträge willkommen, die ein methodisches Problem in den Mittelpunkt stellen und versuchen, dieses systematisch zu behandeln. Hier wäre es wünschenswert, wenn sich die Beiträge insbesondere auf der Ebene von Forschungsstrategien (wie etwa der Kombination von Primärerhebungen und Sekundäranalysen oder der Anwendung von Mixed Methods oder der Probleme von Kontextualisierung und Generalisierung) und weniger auf der Ebene kleinteiliger Diskussionen von Erhebungs- und Auswertungsmethoden bewegten. Dies kann auch entlang selbst durchgeführter Forschungsprojekte geschehen, wobei empirische Befunde zwar erwähnt werden können, im Zentrum aber eine kritisch-methodische Reflexion der Forschungsstrategie steht.
Bitte senden Sie ein ca. ein- bis zweiseitiges Abstract zu Ihrem Beitragsvorschlag bis spätestens 1. Mai 2024 an die Redaktion der Zeitschrift ARBEIT: frank.seiss(at)isf-muenchen. Sie erhalten von uns eine Rückmeldung bis zum 1. Juni 2024. Abgabetermin für Manuskripte mit maximal 45.000 Zeichen ist der 15. Oktober 2024. Die Beiträge sind vorgesehen für das Heft 2/2025 der ARBEIT.