Aus dem Inhalt
- Hubert Knoblauch, Martina Löw: Soziale Theoriebildung
- Oliver Neun: Vom ›Theorienpluralismus‹ zur ›Multiparadigmatik‹
- Ingo Blaich, Michael Grunow: Interessenkonstellationen und Fachidentität im Soziologiestudium
- Stefan Kühl: Zwischen Präzision und Anonymisierung
- Gesellschaft unter Spannung: Calls zum 40. Kongress der DGS 2020 in Berlin
Identität und Interdisziplinarität
Hubert Knoblauch, Martina Löw
Soziale Theoriebildung
Im Rahmen eines Berichtes über die Arbeit der ersten zwei Jahre eines Sonderforschungsbereichs behandelt der Beitrag vor allem die Frage, wie mit den Anforderungen und Problemen der Interdisziplinarität umgegangen wurde. Nach einigen allgemeineren Bemerkungen zur Inter- und Transdisziplinarität wird zunächst erläutert, wie Interdisziplinarität durch das alle Teilprojekte rahmende Konzept ermöglicht werden soll. In einem nächsten Teil wird dann behandelt, mit welchen ergänzenden Formaten Interdisziplinarität in den ersten zwei Jahren ausgebaut bzw. etabliert wurde. Diese Vorgehensweise wird als soziale Theoriebildung skizziert. Auf diese Weise sollen die Bedingungen der Möglichkeit von Interdisziplinarität erstens wissenschaftstheoretisch reflektiert werden. Zum zweiten soll so mit diesem Beitrag zu einer soziologischen/sozialwissenschaftlichen SFB-Kultur beigetragen werden.
In the context of a report on the work of the first two years of a Collaborative Research Centre, this contribution deals primarily with the question of how the requirements and problems of interdisciplinarity were addressed. After some more general remarks on inter- and transdisciplinarity, we will first explain how we try to enable interdisciplinarity through the concept framing all subprojects. In the next part, we discuss which supplementary formats we have used to expand and establish interdisciplinarity in the first two years. We will outline the approach we designate as ›social concept formation‹. This way we want to reflect on the conditions of the possibility of interdisciplinarity from the point of view of scientific theory. Secondly, with this contribution we want to contribute to a sociological/social science culture for CRCs.
Oliver Neun
Vom ›Theorienpluralismus‹ zur ›Multiparadigmatik‹
Die These, dass die Soziologie ein multi-paradigmatisches Fach ist, gilt in der neueren Debatte zur ›Multiparadigmatik‹ bzw. zur Einheit des Faches als nahezu unumstritten, es bleibt nur die Frage offen, worauf dieser Zustand zurückzuführen ist und ob dieser wünschenswert ist. Zudem wird es als immerwährendes Problem der Disziplin verstanden. Auch wird davon ausgegangen, dass das Problem wichtig für das Bild der Soziologie in der Öffentlichkeit und den gesellschaftlichen Status der Disziplin ist.
Diesen Annahmen und der Entstehung der These selbst soll hier historisch nachgegangen werden, da erst ab Anfang der 1970er Jahre die Beschreibung von Theorien als ›Paradigmen‹ erfolgt und damit die Idee der ›Inkommensurabilität‹ dieser Ansätze, das heißt der Multiparadigmatik der Disziplin, formuliert wird. Darüber hinaus wird in der neueren Debatte wieder Bezug auf die Idee des ›Theorienvergleichs‹ genommen. Ein Blick soll deshalb auf die Behandlung des Theorienpluralismus vor dieser ›Theorienvergleichsdebatte‹ geworfen und die Wirkung dieser ›Theorienvergleichsdebatte‹ beschrieben werden. Abschließend sollen Folgerungen für die zeitgenössische Diskussion gezogen werden. Als wichtig für die Frage der Fachidentität wie für das öffentliche Bild der Disziplin erweisen sich dabei weniger Theoriekonflikte, als die Probleme des Verhältnisses der Soziologie zur Praxis und die Ferne der Theorie zur Empirie.
The thesis that sociology is a multi-paradigmatic subject is almost undisputed in the more recent debate on ›multi-paradigmatics‹ or on the unity of the subject; the only question that remains unanswered is to what extent this state can be attributed and whether it is desirable. In addition, it is understood as a perpetual problem of discipline. It is also assumed that the problem is important for the public image of sociology and the social status of the discipline.
These assumptions and the emergence of the thesis itself will be investigated historically, since the description of theories as ›paradigms‹ only started in the beginning of the 1970s, thus formulating the idea of the ›incommensurability‹ of these approaches, i.e. the multiparadigmatism of the discipline. In addition, the more recent debate makes reference to the idea of ›comparison of theories‹. I shall look at the treatment of theoretical pluralism and will then describe the debate on the comparison of theories and its effect. Finally, I shall draw some conclusions for the contemporary discussion. The problems of the relationship of sociology to practice and the distance of theory to empiricism prove to be important for the question of professional identity as well as for the public image of the discipline.
Forschen, Lehren, Lernen
Ingo Blaich, Michael Grunow
Interessenkonstellationen und Fachidentität im Soziologiestudium
Im Fokus der Forschung steht der Übergang ins Studium und die Studieneingangsphase, da hier bereits zentrale Bedingungsfaktoren für Studienerfolg oder Studienabbruch identifizierbar sind. Gerade bei Geistes- und Sozialwissenschaften spielen unklare Studienorientierungen eine größere Rolle. Diese Befundlage wird am Beispiel des Soziologiestudiums (BA/Diplom) an der TU Dresden aufgegriffen. Welche Interessen stehen hinter der Entscheidung für das Fach? Gibt es andere Studienfächer, die für diese Interessenkonstellation attraktive Alternativoptionen darstellen? Wie wirken sich diese Faktoren auf die Fachidentität aus, die als Indikator für die Integration ins Studienfach dient? Bei insgesamt stark ausgeprägter Fachidentität unter den Studierenden, zeigt sich dennoch eine heterogene Interessenlage, in der alternative Orientierung hin zur Sozialpädagogik und Psychologie besonders herausstechen. Es wird für eine stärkere curriculare Berücksichtigung vielfältiger und zum Teil noch nicht gefestigter Studienorientierungen und Interessen in der Studieneingangsphase plädiert.
Contemporary research focusses on first year experience and students retention. Unassured expectations and occupational orientations are more characteristic for Humanities and Social Sciences, with negative effects to retention rate. These results initialized further research in case of the study course Sociology at the TU Dresden. What kind of interests motivate students to opt for sociology? What were alternative subjects? And how is the university integration affected by these factors? The study shows a very heterogenous field of individual interests with special links to psychology and social pedagogy. Simultaneously exists a high level of integration in the subject. The study discusses the consequences for teaching. We argue, that a more intensive reflexion about study orientation during the first year must be substantial part of the curriculum.
Stefan Kühl
Zwischen Präzision und Anonymisierung
Sozialforscher stehen vor einem grundlegenden Dilemma. Auf der einen Seite müssen sie ihre Befunde so genau wie möglich berichten, um anderen Wissenschaftlern zu ermöglichen, das Argument detailliert nachzuvollziehen. Auf der anderen Seite gehört es zum wissenschaftlichen Standard, Daten so zu anonymisieren, dass die analysierten Forschungssubjekte nicht zu erkennen sind. Weil es in der Wissenschaftsgemeinschaft an Standards fehlt, wie mit dem Spannungsfeld zwischen Präzision und Anonymisierung umgegangen werden soll, sind Wissenschaftler hier auf sich allein gestellt.
Empirical researchers are facing a fundamental dilemma. On the one hand, they must report their findings as accurately as possible in order to enable other scientists to retrace the argument in detail. On the other hand, it is the expected scientific standard to anonymize data in such a way that the analyzed research subject cannot be identified. Because there is a lack of standards in the scientific community on how to deal with the tension between precision and anonymization, scientists are left alone to find acceptable handling with this dilemma.
Hier der Volltext zum Download.
DGS-Nachrichten
- 40. Kongress der DGS 2020 in Berlin: Gesellschaft unter Spannung
- Call for Curation
- Call zu den Plenarveranstaltungen
- Auswertung der DGS-Wahlreform nach der Wahl 2019
- Veränderungen in der Mitgliedschaft
Berichte aus den Sektionen und Arbeitskreisen
- Sektion Frauen- und Geschlechterforschung
- Sektion Kultursoziologie
Nachrichten aus der Soziologie
- Ein kurzes Gespräch mit Tobias Wolbring über studentische Lehrevaluationen
- Nicole Kirchhoff, Diana Lengersdorf
Verleihung des Franz-Xaver-Kaufmann-Preises - ASI-Nachwuchspreis 2020
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- Die ökologische Frage
- Women in Computational Social Science
- Wissenschafts- und Techniksoziologie in der digitalisierten Gesellschaft
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- Decent Care Work?