Call for Papers

Ohnmächtige Arbeitskämpfe in der Sozialen Arbeit? – Beschäftigungsbedingungen, Mobilisierbarkeit und gesellschaftliche Funktion

Deadline: 10. Mai 2024

Im Fachdiskurs um Beschäftigungsbedingungen in der Sozialen Arbeit dominieren kritische Auseinandersetzungen um Sparmaßnahmen, ›Schuldenbremsen‹ und die Einführung betriebs- wirtschaftlicher Elemente in die Gestaltung sozialer Dienstleistungen (Ökonomisierung, Dahme et al. 2012; Wohlfahrt 2016)1. Eine angemessene Ausstattung der Einrichtungen werde so ver- hindert und führe zu unzureichenden Arbeitsbedingungen und niedriger Bezahlung. Problemati- siert wird außerdem die fehlende ideelle sowie materielle Anerkennung hochwertiger, verant- wortungsbewusster Arbeit, der gesellschaftliche Systemrelevanz nachgesagt wird.

Dennoch wurden soziale Dienstleistungen, wie auch die Angebote Sozialer Arbeit es sind, lange Zeit als weniger konfliktreich angesehen und daher gewerkschaftlich vernachlässigt. Dies hat sich spätestens seit den öffentlichen Streiks im Sozialdienst 2015 und mit dem Fokus auf die Arbeitsbedingungen in der Pflege im Zuge der Corona-Pandemie teilweise geändert. Zumindest in der Pflege, im Gesundheitswesen und der frühkindlichen Erziehung gibt es ein wachsendes Ungerechtigkeitsempfinden, das sich in lauten und bisweilen unversöhnlichen Arbeitskämpfen ausdrückt (etwa im Erzieherinnenstreik, Kutlu 2013).

Nun sind aber frühkindliche Erziehung, Pflege und das Gesundheitswesen Handlungsfelder, die zwar eine Schnittmenge zur Tätigkeit Sozialer Arbeit aufweisen, deren ›Kerngeschäft‹ liegt je- doch weiterhin in anderen Feldern: Kinder- und Jugendhilfe, Behindertenhilfe, Unterstützung für Menschen in prekären Lebenslagen (z.B. Wohnungslosigkeit), Hilfe für Menschen mit Sucht- und psychischen Erkrankungen, Geflüchtetenhilfe und weitere Handlungsfelder. Diese sozialen Dienstleistungen sind kaum wahrnehmbar in den Arbeitskämpfen der letzten Jahre im Sozial- dienst. Warum ist das so? Warum tut sich eine Profession, die auf fachlicher Ebene eine rege Auseinandersetzung um die eigene Politisierung einerseits und die schwierigen Arbeitsbedin- gungen andererseits führt, so schwer, sich praktisch zu organisieren und für die eigenen Interes- sen einzustehen? Inwiefern bestehen Zusammenhänge zur speziellen gesellschaftlichen Rolle Sozialer Arbeit und dem Berufsethos von Sozialarbeiter:innen? Warum findet das zentrale Mittel des Arbeitskampfes – der Streik – hier kaum Anwendung? (vgl. Rose & Wulf-Schnabel 2013).

Der geplante Sammelband soll eine bisherige Leerstelle im wissenschaftlichen Diskurs schlie- ßen und den Fokus auf Interessenvertretung, Mobilisierung und Arbeitskampf in klassischen Handlungsfeldern Sozialer Arbeit legen. Die Veröffentlichung ist interdisziplinär ausgerichtet und verknüpft sozialarbeitswissenschaftliche Zugänge mit theoretischen wie empirischen Er- kenntnissen aus der Arbeitssoziologie und stellt damit eine Besonderheit in der Publikations- landschaft beider Disziplinen dar. Bezüge zum gewerkschaftlich wie soziologisch diskutierten Machtressourcenansatz (Schmalz & Dörre 2013) und den arbeitssoziologischen Forschungen zu Mobilisierungsmomenten, Arbeitsbewusstsein und Sorgearbeit (Kutlu 2013; Nies & Menz 2021; Mayer-Ahuja & Nachtwey 2021) sind wünschenswert. Willkommen sind darüber hin- aus auch Beiträge aus der interessenpolitischen Praxis des Feldes.

Themenschwerpunkte der Beiträge können daher unter anderem sein:

  • Politisch-ökonomische Grundlagen sozialer Dienstleistungserbringung und die gesell- schaftliche Funktion der Sozialen Arbeit
  • Anlässe zum Arbeitskampf: Arbeitspolitische Rahmenbedingungen (Sozial- und Tarif- politik, Lohnstruktur und weitere) und Arbeitsbedingungen (Praxis und Arbeitsalltag) von Sozialarbeiter:innen in Deutschland.
  • Bedingungen des Arbeitskampfes: Interessenvertretungsorgane und -strukturen, öf- fentlicher Diskurs um Soziale Arbeit und die Rolle des kirchlichen Arbeitsrechts der gewerkschaftlichen Interessenvertretung
  • Wille zum Arbeitskampf?: Arbeitsverständnis, Arbeitsbewusstsein und Mobilisierbar- keit von Sozialarbeiter:innen
  • Praxis des Arbeitskampfs: gewerkschaftliche Strategien und Erfahrungsberichte, Projekte aus der Praxis von Personalräten und Mitarbeitendenvertretungen etc.

Wir freuen uns auf Abstracts (maximal eine Seite) bis zum 10. Mai 2024! Zu senden bitte an beide Herausgeberinnen: Jule.westerheide(at)rub.dek.goetze(at)katho-nrw.de

Eine Rückmeldung erfolgt zeitnah bis zum 31.05.2024. Die ausgewählten Beiträge (max. 20.000 Zeichen inkl. Leerzeichen) sollen dann bis zum 31.September 2024 vorliegen, eine Rückmeldung mit Überarbeitungsbedarfen durch die Herausgeberinnen erfolgt bis zum 31. Dezember 2024. Die Publikation ist für Mitte 2025 geplant und erfolgt im Beltz Verlag.