Call for Papers

Sozial-ökologischer Transformationskonflikt oder nachhaltige Nicht-Nachhaltigkeit? Konkurrenzen und Komplizenschaften in der sozial-ökologischen Krise

Deadline: 09. April 2023

Angesichts sich zuspitzender sozial-ökologischer Krisendynamiken scheinen inzwischen (fast) alle einig: Eine weitreichende Nachhaltigkeitstransformation ist unumgänglich. Jenseits dieses vordergründigen politischen und medialen Konsenses formieren sich aber aktuell auch Gegenkräfte. So sind etwa Infrastrukturprojekte um die Energiewende zunehmend zivilgesellschaftlichen Widerständen ausgesetzt, mitunter befeuert und unterstützt durch rechtsautoritäre Kräfte. Auch in öffentlichen Debatten über einen ökologischen Umbau der Landwirtschaft oder eine Mobilitätswende rufen transformative Forderungen und Initiativen harsche Vorwürfe von Fortschrittsfeindlichkeit und ›öko-diktatorischer‹ Gesinnung hervor. Neben
solchen offen artikulierten Widerständen und Gegenbewegungen zu sozial-ökologischen  Transformationsanliegen manifestieren sich unterschwelligere Widerstände auf der Ebene der Persistenz nichtnachhaltiger Gewohnheiten, Ansprüche und Selbstverständlichkeiten aber auch bei solchen Akteuren,
die sich als Unterstützer:innen einer Transformation verstehen.

Die Ad-hoc-Gruppe befasst sich zum einen mit konkurrierenden soziologischen Deutungsangeboten dieser
Widerstände. Strittig ist aktuell etwa, ob es sich dabei um Anzeichen eines zusehends eskalierenden sozial-ökologischen Transformationskonflikts handelt (Dörre et al. 2020, Eversberg 2023), in dem sich pro- und anti-transformative Kräfte zunehmend konfrontativ gegenüberstehen, oder ob der Fokus auf offene Gegnerschaften nicht eher tiefer liegende Persistenzen und eine übergreifende Bündniskonstellation der Nicht-Nachhaltigkeit verschleiert (Blühdorn et al. 2020). Zum anderen zielt die Ad-hoc-Gruppe darauf ab, diese Debatten um die adäquate soziologische Rahmung anti-transformativer Widerstände an rezente empirische Forschungsarbeiten rückzukoppeln. In diesem Zusammenhang laden wir mit diesem Call dazu ein, relevante Forschung in Form von Postern vorzustellen, die im Rahmen der Ad-hoc-Gruppe präsentiert und diskutiert werden.

Von Interesse sind Forschungen nicht nur zu offen und aktiv anti-transformativen Aktivitäten, sondern das ganze denkbare Spektrum solcher Widerstände, einschließlich (aber nicht beschränkt auf):

  • aktives Engagement gegen ökosozial-transformative Anliegen in politisch akzeptierten und institutionalisierten wie in informellen Formen und Kontexten, von Parteipolitik bis Social Media;
  • alltagsweltliche Widerstands- und Abgrenzungsbewegungen gegen wahrgenommene Anpassungsanforderungen gegenüber der eigenen gewohnten Lebensweise, etwa durch ostentativ öko-indifferente Ernährungs- und Mobilitätsformen;
  • nicht-nachhaltige Reise- und Mobilitätspraxen auch und gerade ökosozial orientierter Gruppen und die Arten und Weisen, wie diese rationalisiert und sich selbst gegenüber legitimiert werden;
  • Trade-Offs zwischen gewollt und demonstrativ nachhaltigen Praxen in bestimmten Bereichen (z.B. Veganismus) und problematischen Aktivitäten in anderen;
  • Konservierung nicht-nachhaltiger ›Mentaler Infrastrukturen‹ (Welzer) unter Bedingungen nichttransformativer Formen von Dekarbonisierung, z.B. durch Elektromobilität, E-Fuels, Kompensationsmaßnahmen etc.

Eingeladen sind Beiträge, die sich anhand solcher oder anderer Beispiele mit folgenden Fragen befassen:

  • In welchen Praxen drücken sich anti-transformative Bottom-up-Widerstände aktuell aus?
  • Welche Dispositionen und konjunkturellen Bedingungen machen diese möglich?
  • Welche neuen und alten Interessenlagen, Konfliktlinien und Bündnisse kommen dabei zum Vorschein?
  • Inwieweit handelt es sich bei den Widerständen um Pauschalablehnungen nachhaltiger Politiken und Lebensweisen?

Die Poster werden im Rahmen eines zweiteiligen Ablaufs der Ad-hoc-Gruppe von den Beiträger:innen
persönlich vorgestellt. Im ersten Teil werden die zwei im Titel angedeuteten soziologischen Analyseperspektiven in Form eines Streitgesprächs zwischen Hauke Dannemann (IGN, WU Wien) und Dennis Eversberg (Nachwuchsgruppe flumen, FSU Jena) gegenübergestellt und anschließend mit dem Publikum diskutiert. Der Call richtet sich auf den zweiten Teil, in dem anhand von Posterpräsentationen und einer zusammenschauenden Abschlussdiskussion empirisch fundierte Schlaglichter auf aktive wie auch nichtintendierte Widerstände gegen sozial-ökologische Transformationsinitiativen und -prozesse geworfen werden.

Für die Präsentation der Poster sind insgesamt 30 Minuten (3 Runden à ca. 8-9 Minuten, in denen sich Zuhörende im Raum verteilen, jeweils einem Poster zuordnen und es sich von der/dem Ersteller:in erläutern lassen) und für die anschließende Podiumsdiskussion 15 Minuten vorgesehen. Die Poster sollen auch im Vorfeld wie im Anschluss auf dem Kongress zugänglich gemacht werden. Ausdrücklich richtet sich dieser Call auch an Doktorand:innen und Master-Studierende, die ihre thematisch relevanten Promotionsvorhaben oder Abschlussarbeiten vorstellen möchten.

Deadline für Beitragseinreichungen (Kurzbeschreibungen von max. 2.500 Zeichen oder bereits fertige Poster) ist der 9.4., Rückmeldungen erfolgen bis zum 14.4.; angenommene Abstracts sind dann bis zum 30.4. auf conftool hochzuladen. Einreichungen bitte an j.niederhauser(at)gmx.at.