Call for Papers

Vielfältige (widersprüchliche) Transformationen in krisenhaften Zeiten

Deadline: 30. September 2022

Die aktuelle globale und nationale gesellschaftliche Situation verdient Diagnosen wie ›tiefgreifende Umbrüche, die ein weiter so nicht mehr zulassen‹ (Nicole Burzan), ›existenzielle Probleme bzw. Krisen‹ (Thomas Scheffer und Robert Schmidt), oder ›Vielfachkrisen‹ (Alex Demirovic und Andrea Maihofer). Das Verhältnis von Mensch und Natur, von Mensch und Technik, aber auch von Gesellschaft und Wirtschaft
befindet sich im krisenhaften Umbruch. Dies sind Diagnosen zu Entwicklungen, die sich nicht erst seit der Zuspitzung ökologischer Probleme, dem Ausbruch von Corona oder dem Krieg in der Ukraine zeigen. Karl Polanyi, der vor allem von Kolleg*innen der Wirtschaftssoziologie wiederentdeckt wurde, hat 1944 von der ›Großen Transformation‹ gesprochen, um damit die verschränkte Herausbildung von Marktwirtschaft und Nationalstaaten in Folge der Industrialisierung zu kennzeichnen.

Dieser Begriff fand Eingang in die Terminologie des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für globale Umweltfragen (WBGU), der angesichts der globalen gesellschaftlichen Folgen des anthropogen verursachten Klimawandels einen ›veränderten Gesellschaftsvertrag‹ gefordert hat. Transformation als Konzept taucht in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Feldern auf. Es lässt sich zudem beobachten, dass Transformationsprozesse unterschiedliche Treiber aufweisen. Wird die digitale Transformation vor allem von der Wirtschaft vorangetrieben, so ist die sozial-ökologische Transformation immer noch ein gesellschaftliches Thema.

Das Transformation also in ganz unterschiedlicher Gestalt daherkommt, dass sie unvorhersehbar oder unvorhergesehen geschieht, oder dass sie – zumindest von Teilen der Gesellschaft - gewünscht wird, und vielleicht gerade nicht das Normale konstituiert, sondern Anomalien, Dystopien und Utopien mit sich führt, sind unsere Ausgangsüberlegungen für diesen Band.

Wir wünschen uns Beiträge, die Transformation zum Thema machen, in konzeptioneller oder empirischer Absicht. Erwünscht sind auch kritische Reflexionen aus der Praxis der Transformation. Dabei konstatieren wir, dass Transformationen in sämtlichen gesellschaftlichen Feldern oder Teilsystemen auftauchen und geschehen können und dass sich Transformationsprozesse auch ins Gehege kommen können – Beispiel Bekämpfung des Klimawandels und verstärkter Einsatz energieintensiver digitaler Technologien. Auch die Narrative der Transformation sind in den Fokus zu nehmen, in etwa: warum wird der Begriff genutzt, auf wen bezieht er sich? Es sollte aber auch gefragt werden, welche sozialen, politischen, wirtschaftlichen Folgen Transformationsprozesse haben. Sind Transformationen in einem gesellschaftlichen Feld vereinbar mit denen in einem anderen und sind sie nationalstaatlich beherrschbar? Wie verändern Forschungen zu Transformation die Sozialwissenschaften und die soziale Praxis?

Wir freuen uns auf Ihr Abstract mit Angabe des geplanten Formats (3.000 - 4.000 Zeichen) bis 30. September 2022 an Prof’in Dr. Corinna Onnen (corinna.onnen(at)uni-vechta.de). Die ausgewählten Beiträge (max. 37 Tsd. Zeichen) sollen dann bis Ende April 2023 vorliegen. Es ist ein peer review-Verfahren vorgesehen. Die Publikation ist für Ende 2023 geplant.

Die Reihe Sozialwissenschaften und Berufspraxis wendet sich an Personen mit sozialwissenschaftlichem Hintergrund, die ihre Erkenntnisse im beruflichen Alltag nutzen bzw. selbst an der Genese  sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse beteiligt sind. Darüber hinaus wendet sich die Reihe an Personen, die ihre sozialwissenschaftlichen Kenntnisse an Hochschulen oder auch in einem nicht akademischen beruflichen Umfeld erwerben, anwenden oder weitergeben. Veröffentlicht werden in den Sammelbänden, die in der Regel einmal im Jahr erscheinen, sozialwissenschaftlich reflektierte empirische und theoretische Beiträge aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Handlungsfeldern.