Aktuell

Aktuelles

SOZIOLOGIE Jahrgang 51 - Heft 3 - 2022

Aus dem Inhalt

  • Heinz Bude: Aus dem Maschinenraum der Beratung in Zeiten der Pandemie 
  • Oliver Römer: Literarische Produktionsverhältnisse 
  • Markus Holzinger: Postimperiale Räume und der Traum von der gewaltfreien Moderne 
  • Jörg Radtke, Ortwin Renn: Impulse für eine Soziologie der Nachhaltigkeit 
  • Christa Karpenstein-Eßbach: Die Universität: soziologisch, literarisch

Soziologie in der Öffentlichkeit

Heinz Bude
Aus dem Maschinenraum der Beratung in Zeiten der Pandemie

Es handelt sich um einen Beitrag zur soziologischen Verwendungsforschung, die An­fang der 1980er Jahre von Ulrich Beck und Wolfgang Bonß mit der DFG-Schwer­punktprogramm ›Verwendungszusammenhänge sozialwissenschaftlicher Ergebnisse‹ in Gang gebracht worden ist. Auf Grundlage einer teilnehmenden Beobachtung wird geschildert, wie soziologische Einsichten während der Pandemie in Kontexten wissen­schaft­licher Beratung zur Geltung gebracht worden sind. Die Beispiele sind zum einen ein informelles Beratungsgremium des Bundesinnenministeriums und zum anderen die zivilgesellschaftliche Initiative ›No-COVID‹. Hier zeigt sich, wie unter der Bedin­gung von hohem Handlungsdruck ein ›überlappender Konsens‹ zwischen den ver­schie­denen methodologischen Welten der Forschungen zu Populationen und der Forschungen zu Gesellschaft möglich ist.

This is a contribution to the so called ›Verwendungsforschung‹ introduced by Ulrich Beck und Wolfgang Bonß in the 1980s. It›s a piece of ›participatory observation‹ that shows how sociological knowledge plays its part in political consulting during the pandemic. The two examples are an informal body within the German Ministry of the Interior on the one hand and the civil society initiative No-COVID on the other. Under high pressure to act it turns out that an ›overlapping consensus‹ between the two different methodological worlds of research on populations and research on societies is possible.
Hier der Volltext zum Download.

Oliver Römer
Literarische Produktionsverhältnisse

Zweifellos changiert die Soziologie seit ihrer Gründung im 19. Jahrhundert zwischen naturwissenschaftlichen und hermeneutischen Orientierungen. Gleichwohl ist kaum zu bestreiten, dass in einer von Literatur und Literaturwissenschaften emanzipierten soziologischen Fachdisziplin diese andauernde Spannung von einem existenziellen Dilemma zu einem methodisch-theoretischen Erkenntnisproblem geschrumpft ist. Wie dieser Beitrag zeigen soll, kehrt das grundlegende Problem einer sozialen Ver­or­tung der Soziologie als einer dritten Kultur zwischen Literatur und Wissenschaft (Wolf Lepenies) jedoch dann unmittelbar wieder, wenn man bereit ist, die Selbst­the­ma­tisierung der Soziologie aus ihren inzwischen institutionell gefestigten inner­wis­sen­schaftlichen Bezügen herauszulösen. Einen interessanten Ansatzpunkt für einen solchen wissenschaftssoziologischen und -historischen Perspektivenwechsel bieten historisch variierende Formen der Produktion, Vermittlung und Rezeption sozio­lo­gi­schen Wissens im Wissenschafts- und Publikumsverlagswesen.

Certainly, since its foundation in the 19th century, sociology has alternated between scientific and hermeneutic directions. Nevertheless, it can hardly be questioned that in a specialized sociological discipline emancipated from literature and literary stu­dies, this persistent tension has diminished from an existential dilemma to a me­tho­do­logical-theoretical problem of cognition. This article will show, however, that the fundamental problem of a social location of sociology as a third culture between literature and science (Wolf Lepenies) returns immediately if one is able to detach so­ciology‹s self-thematization from its now institutionally consolidated inner-scien­ti­fic references. An interesting approach to such a change of perspective in the sociology and history of science is offered by historically varying forms of pro­duc­tion, mediation, and reception of sociological knowledge in scientific and popular pub­lishing.

Identität und Interdisziplinarität

Markus Holzinger
Postimperiale Räume und der Traum von der gewaltfreien Moderne

Der russische Angriff auf die Ukraine wird über den kriegerischen Konflikt hinaus schwerwiegende Folgen für die internationale Ordnung haben und entwickelte sich daher in den letzten Wochen weltweit zu einem der meist diskutierten Themen. Auch Soziologen meldeten sich in diesem Zusammenhang zu Wort. Und dennoch hat, was das Verhältnis der soziologischen Theorie zum Thema Krieg betrifft, Hans Joas› Einschätzung nichts an seiner Gültigkeit verloren, dass Krieg und Militär ein von den Sozialwissenschaften vernachlässigtes Gebiet sei. Die Modernisierungs­theo­­rie, die von tiefsitzenden liberalen Grundprämissen geprägt ist, hat den Krieg buchstäblich verdrängt. Die westliche Modernisierungstheorie wiege sich im ›Traum von der gewaltfreien Moderne‹. Neben der allgemeinen Soziologie, die den Krieg, systematisch vernachlässigt, hat sich jedoch ein stabiles, interdisziplinäres, sozial-wissenschaftliches Forschungsfeld etabliert, das sich intensiv mit dem Thema Krieg, Gewalt und der Veränderungen der Streitkräfte befasst. Vor dem Hintergrund dieser Konstellation soll der Beitrag zunächst einen kurzen Einblick in einige neue­ren Arbeiten zu diesem Themenspektrum geben. Danach wird der Krieg in der Ukrai­ne in den Kontext dieser Debatte gestellt.

The Russian war in Ukraine has proven itself to be one of the most consequential political events of our time and has been hotly debated worldwide in recent weeks. Many sociologists have spoken and still speak publicly on the issues of the war. Nevertheless, Hans Joas‹ comment appears still valid that sociologic research does not consider war issues. According to Joas, the modernization theorists of the post war era dreamt of a modernity without violence. Sociologists had neglected the topic because they believed in the peaceful future of modern societies. Up to now general sociological theory has conceived of modern society as civil society. However, over the past few decades, some social scientists have started to pay more systematic attention to the role of war in the development of modern societies. A distinctive interdisciplinary field has grown. This paper first summarizes the main strands of recent research in social science, where the most influential studies and debates have emerged. I then put the Russian war in Ukraine in the context of this systematic research about war.

Jörg Radtke, Ortwin Renn
Impulse für eine Soziologie der Nachhaltigkeit

Das Thema Nachhaltigkeit ist in der deutschen Soziologie nur selten als eigen­stän­di­ger Topos der Forschung und der Theoriebildung verankert. Im Rahmen der Um­welt­soziologie stehen mikrosoziologische Studien zum Verhalten von Individuen und Organisationen angesichts einer Vielzahl von Umwelt- und Nach­hal­tig­keits­kri­sen im Vordergrund des Interesses, im Rahmen der Wirtschaftssoziologie werden neue Modelle einer Post-Wachstumsgesellschaft oder einer post-kapitalistischen Wirt­schaftsordnung mit dem Ziel einer Nachhaltigkeitsorientierung diskursana­ly­tisch oder normativ betrachtet. Der Beitrag vermittelt einen kurzen Überblick über die Ver­­ortung der Nachhaltigkeit in der soziologischen Literatur und entwickelt aus dieser Zusammenschau eigene Impulse für eine Ausrichtung der soziologischen For­schung und Lehre, in der Nachhaltigkeit und das Leben im Anthropozän als Eck­punkte der Analyse und als Zielpunkte einer interdisziplinären normativen Orien­tie­rung dienen.

The topic of sustainability is rarely treated in German sociology as an independent topos of research and theory building. Within the framework of environmental so­ciology, micro-sociological studies on the behaviour of individuals and organizations in the face of a multitude of environmental and sustainability crises are in the foreground of interest; within the framework of economic sociology, new models of a post-growth society or a post-capitalist economic order with the goal of a sus­tain­ability orientation are considered predominantly by means of discourse-analysis or as a nor­mative concept for social change. The article provides a brief overview of the status of sustainability in the sociological literature and, from this synopsis, de­ve­lops its own impulses for a reform of sociological research and teaching in which sus­tainability and living in the Anthropocene serve as cornerstones of analysis and as target points of an interdisciplinary normative orientation.

Christa Karpenstein-Eßbach
Die Universität: soziologisch, literarisch

Wolf Lepenies hat in ›Die drei Kulturen‹ die Soziologie zwischen Literatur und Wis­sen­schaft angesiedelt. Diese Perspektive nimmt der Beitrag auf und behandelt sie im Blick auf einen bestimmten Gegenstandsbereich: die Universität. In einem zwei­gleisigen Verfahren werden zum einen soziologische Diskurse zu Universität und Hoch­schulreform herangezogen, zum anderen bundesrepublikanische Univer­sitäts­romane. Drei Aspekte sind für die Relationierung von literarischer und sozio­lo­gischer Universität relevant: das Problem der Studienplätze, die Frage: Institution oder Organisation und schließlich Humboldtreferenzen. Die literatur­so­ziologische Per­spek­tive richtet sich dabei auf Beziehungen zwischen Literatur und Wissen eben­so wie auf die besonderen Modalitäten literarischer Aussageweisen und die Leis­tungs­­kraft ihrer Formen.

In ›Die drei Kulturen‹ Wolf Lepenies has placed sociology between literature and science. The article takes up this perspective and deals with it with a view to a specific sub­ject area: the university. In a two-pronged process, sociological discourses on uni­versity and higher education reform are used on the one hand, and German uni­ver­sity novels on the other. Three aspects are relevant for the relation of literary and sociological universities: the problem of study places, the question: institution or organization, and finally Humboldt references. The literary-sociological per­spec­tive focuses on the relationships between literature and knowledge as well as on the special modalities of literary statements and the performance of their forms.

DGS-Nachrichten

  • Aus dem DGS-Vorstand 
  • Gemeinsame Stellungnahme der sozialwissenschaftlichen Fachverbände Deutschlands
  • Ausschreibung zum 42. Kongress der DGS 2024 
  • Veränderungen in der Mitgliedschaft 

Berichte aus den Sektionen und Arbeitsgruppen

  • Sektion Kultursoziologie
  • Sektion Umwelt- und Nachhaltigkeitssoziologie 

Nachrichten aus der Soziologie

  • Thomas Hinz: In memoriam Werner Georg 
  • Förderpreis für Dissertationen der Sektion Migration und ethnische Minderheiten 
  • Habilitationen
  • Call for Papers 
    • Die Diskursive Konstruktion von Wirklichkeit V   
  • Tagungen 
    • Plurale Verschränkungen