Der 40. Kongress des Deutschen Gesellschaft für Soziologie unter dem Titel ›Gesellschaft unter Spannung‹ war ursprünglich als Präsenzkongress vom 14. bis 18. September 2020 an der TU Berlin geplant. Nachdem sich im Frühsommer 2020 abgezeichnet hatte, dass im Herbst keine Präsenzveranstaltungen dieser Größe – die letzten DGS-Kongresse hatten Teilnehmendenzahlen von über 2.000 verzeichnet – möglich sein würden, musste der Präsenzkongress notgedrungen abgesagt werden. Daraufhin entschied sich der Vorstand der DGS kurzfristig, einen digitalen Kongress auszurichten. Der erste rein digitale Soziologiekongress wurde zur Entzerrung der Veranstaltungsdichte auf zwei Wochen gestreckt und fand vom 14. bis zum 24. September 2020 über die Videokonferenzplattform ›Zoom‹ statt.
Die Entscheidung zur Digitalisierung war zum damaligen Zeitpunkt ein Wagnis, da in der DGS noch keinerlei Erfahrungen mit digitalen Veranstaltungen dieser Größe vorlagen. Umso gespannter war der Vorstand vor allem auf die Ergebnisse der Teile der Evaluation, die der Digitalisierung galten und die hier knapp vorgestellt werden sollen.
Zum Kongress 2020 hatten sich 2.269 Personen angemeldet, darunter 1.009 Referierende für die 231 Veranstaltungen. Die größte Session umfasste 1.016 Personen, an der meistbesuchten Keynote nahmen 549 und an den Plenen im Schnitt 425 Personen teil. Der Schnitt aller Veranstaltungen lag wiederum bei 104 Teilnehmenden, und zwar ohne Keynotes und Eröffnungsveranstaltung, an der 811 Personen teilnahmen. Es beteiligten sich Personen aus mehr als 30 Ländern, darunter 607 aus Österreich, 263 aus der Schweiz, 100 aus den USA und 45 aus Japan.
Alle 2.269 Teilnehmenden erhielten eine Einladung zur Umfrage. 788 von ihnen, das heißt rund 35 Prozent, haben sich an der Umfrage zum Kongress beteiligt. (Bei der Evaluation des letzten regulären Kongresses im Jahr 2018 hatte die Ausschöpfungsquote bei 40 Prozent gelegen.) DGS-Mitglieder sind leicht überrepräsentiert, sie stellen bei den Anmeldungen 55 Prozent, bei den Teilnehmenden der Umfrage aber 66 Prozent. Knapp die Hälfte aller Befragten gibt an, aktiv, zumeist vortragend oder moderierend, am Kongress beteiligt gewesen zu sein. Überaschenderweise nahmen laut Befragung anteilig weniger Studierende am digitalen Kongress teil als am Kongress 2018 (2020: 8,2 Prozent, 2018: 11,3 Prozent), dafür aber umso mehr Hochschullehrende (2020: 28,3 Prozent, 2018: 23,4 Prozent).
Trotz vereinzelter, teils vehementer Kritik in den ansonsten überwiegend zustimmend kommentierenden Freitexten zeigen sich auf die Frage ›Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit der Entscheidung, den Kongress 2020 digital stattfinden zu lassen (statt ihn ausfallen zu lassen oder zu verschieben)?‹ 87,9 Prozent der Teilnehmenden zufrieden bis sehr zufrieden. Auch die mit der Digitalisierung verbundene Ausdehnung des Kongresses von fünf auf zehn Tage wird mehrheitlich positiv aufgenommen: Mehr als zwei Drittel bewerten diese Entscheidung als gut oder sogar sehr gut. Die durchschnittliche Verweildauer auf dem Kongress 2020 lag laut Umfrageergebnis bei vier bis fünf Tagen.
Im Vergleich zum Präsenzkongress kam bei den Teilnehmenden vor allem gut an, zwischen den Veranstaltungen einfacher wechseln zu können. Auf die Frage ›Welche Elemente des digitalen Kongresses fanden Sie im Vergleich zu analogen Veranstaltungen nützlicher?‹ waren außerdem Flexibilität, Chatfunktion, Anreise, Kosten, Vereinbarkeit und Care-Verpflichtungen mehrfach genannte Punkte in den offenen Kommentaren.
Was den mit Abstand meisten Befragten dagegen gefehlt hat, war der direkte Austausch mit den Kolleg:innen vor Ort. Das legen die auf die offene Frage ›Was hat Ihnen beim digitalen DGS-Kongress 2020 gefehlt? Haben Sie Verbesserungsvorschläge?‹ häufig geantworteten Schlagwörter nahe: Neben Austausch sind dies persönlich, informell, Diskussionen, Kontakte, Face to Face, Räume, Kaffeepausen, Flurgespräche, Socializen und Vernetzen. Letzteres fiel auffallend oft in Verbindung mit wissenschaftlichem Nachwuchs. Auch die in einigen Veranstaltungsformaten fehlende Möglichkeit zur Beteiligung via Chatfunktion stieß häufiger auf Kritik. Ein anders gelagerter, wichtiger Kritikpunkt am Digitalen war eine unzureichende Unterstützung für Sehbehinderte.
Auf die fachliche Qualität der Veranstaltungen scheint die Digitalisierung keinen negativen Einfluss gehabt zu haben. Im Gegenteil werden die bekannten Veranstaltungsformate in der aktuellen Umfrage sogar jeweils besser bewertet als bei der Befragung zum Kongress 2018. Je nach Format bescheinigen 75,5 bis 87 Prozent der Teilnehmenden eine hohe bis sehr hohe fachliche Qualität. Insbesondere die Sektionsveranstaltungen und Ad-hoc-Gruppen schneiden bei den Befragten gut ab.
Die Frage danach, ob die eigenen soziologischen Arbeits- bzw. Forschungsfelder auf dem Kongress angemessen vertreten waren, beantworten dieses Mal im Vergleich zum DGS-Kongress 2018 deutlich mehr Personen positiv. Während bei der Evaluation zum letzten Kongress 61,2 Prozent der Teilnehmenden angaben, gut bis sehr gut vertreten zu sein, sind es in der aktuellen Befragung 70,2 Prozent. Wenig bis gar nicht vertreten auf dem Kongress fühlen sich dagegen 7,1 Prozent (2018 waren es noch 14,2 Prozent).
Unabhängig davon, ob der nächste Soziologiekongress digital oder analog stattfinden wird, bekunden die allermeisten Umfrageteilnehmenden auf die Frage ›Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie an einem der kommenden DGS-Kongresse teilnehmen werden?‹, dass sie wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich erneut teilnehmen werden.
Bei einem digitalen Kongress sind es mit 87,2 Prozent in der direkten Gegenüberstellung sogar eindeutig mehr als bei einem analogen mit 83,5 Prozent. Beim Kongress 2018 waren es 87,5 Prozent, die eine erneute Teilnahme als wahrscheinlich bis ganz sicher einstuften.
Am Ende ist zu sagen: Gut, dass der Kongress – digital – durchgeführt wurde. Wir danken allen Teilnehmenden an der Befragung, deren Ergebnisse wir für zukünftige Kongresse werden nutzen können. Nun bleibt zu hoffen, dass wir zukünftige Kongresse wieder in Präsenz werden durchführen können und ›Lust auf einen Kaffee?‹ keine Pause in der Zoom-Konferenz impliziert.
Jan Dirk Hoffmann, Birgit Blättel-Mink,
Hubert Knoblauch und Sonja Schnitzler