Call for Papers
Sex(uality) and Gender in Progress –
Transitionen und Transformationen von Geschlecht und Sexualität
Sitzung der Sektion ›Frauen- und Geschlechterforschung‹ auf dem 42. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie ›Transitionen‹
vom 22.-26.09.2025 an der Universität Duisburg-Essen
Geschlecht und Sexualität sind seit jeher Gegenstand vielfältiger Prozesse der Transition und Transformation. Von vermeintlich eindeutigen Geschlechtertransitionen reichen sie bis hin zu subtilen Alltagspraktiken, die auf die Materialität des Geschlechtskörpers einwirken. Transgeschlechtliche Menschen befinden sich etwa in sozialen, körperlichen und juristi-schen Übergängen, die über eine lineare Bewegung von einem Geschlecht zu einem an-deren hinausgehen mögen. Das neue Selbstbestimmungsgesetz rückt dabei Fragen zur Ermöglichung und Begrenzung der Gestaltbarkeit und Gestaltungsmacht von Geschlecht ins Zentrum. Intergeschlechtliche Menschen hingegen wurden im frühen Kindesalter lange Zeit Zwangstransformationen ihres Geschlechtskörpers ausgesetzt. Diese zurichtenden, medizinischen Eingriffe werden erst seit 2021 auch rechtlich infrage gestellt. Gesellschaft-lich bleiben sowohl Legitimität als auch Notwendigkeit von Geschlechtsveränderungen vielfach umkämpft.
Jenseits der problematisierten Geschlechtertransitionen prägen unzählige, vermeintlich un-umstrittene Alltagshandlungen die Transformation von Geschlecht: vom Auftragen von MakeUp über Körperformung im Fitnessstudio bis hin zu Mutter-Kind-Kuren, Retreats oder Karrierecoachings für weibliche Führungskräfte. Auch Sexualität ist Gegenstand von Trans-formationsbemühungen, sei es durch – mittlerweile größtenteils verbotene – ›Konversions-therapien‹, Sexual- und Paartherapien oder Präventionsprogramme.
Gemeinsam ist diesen Phänomenen die Annahme eines defizitären Ausgangszustandes, der durch Transitionsprozesse zu verändern wäre – mit dem Ziel gesteigerter Gesundheit, Attraktivität, Lebensfreude und Funktionalität, der Konsolidierung von Identität oder emotio-naler Balance. Geschlecht und Sexualität werden dabei zunehmend als verfügbar und indi-viduell verantwortbar konzipiert. Implizit fließen sie in Krankheits- oder Störungsbilder sowie in Vorstellungen von Gesundheit, Erfolg, Schönheit und Glück ein. Diese Prozesse vereinen befreiende, emanzipatorische, aber auch restriktive und normierende Momente.
In der Sektionsveranstaltung möchten wir diese Ambivalenzen beleuchten und laden Bei-träge ein, die die Dynamiken und Implikationen von Veränderungsprozessen untersuchen – empirisch, theoretisch oder methodologisch.
Mögliche Fragestellungen sind:
- Welche gesellschaftlichen Prozesse auf diskursiver, juristischer und organisatorischer Ebene (z.B. auch Bestimmungen zu Toiletten und Umkleiden) sind derzeit zu beobachten, in denen sich Vorstellungen, Zuschreibungen und Lebensweisen von Geschlecht wandeln?
- Welche Konzepte von Geschlecht und Sexualität liegen Transformationsprozessen zugrunde? Wie werden körperliche und soziale Aspekte wandelnder Geschlechtlich-keit und Sexualität konzipiert?
- Welche Formen der Transition oder Transformation werden angestrebt, welche ver-worfen? Welche Veränderungsdynamiken sind zu beobachten?
- Welche subjektive Bedeutung haben Transformationsprozesse von Geschlecht und Sexualität für Individuen und deren Subjektivierung?
Wir bitten um die Einreichung von Beitragsvorschlägen (auch über die genannten Forschungsfra-gen hinausgehend) in Form von
Abstracts, (maximal eine Seite)
bis zum 31.03.2025
an:
brodersen(at)gender.uni-kiel.de, robin.saalfeld(at)uni-jena.de und corinna.schmechel(at)uni-goettingen
Organisation: Corinna Schmechel (Georg-August-Universität Göttingen), Robin Saalfeld (Friedrich-Schiller-Universität Jena) und Folke Brodersen (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel)