Aktuell

DGS-Stellungnahme zu Lehrprofessuren 

Wiederholt bringt der Wissenschaftsrat die von ihm Anfang 2007 verabschiedeten ›Empfehlungen zu einer lehrorientierten Reform der Personalstruktur an Universitäten‹ öffentlich ins Gespräch. Deren Kernelement: Lehrprofessuren.

Die DGS sieht an diesem Konzept überwiegend problematische Seiten. Unproblematisch erscheint dabei der Ausgangspunkt: dass die starren Deputatsregelungen, die jedem Universitätsprofessor auf Dauer das gleiche Lehrdeputat von derzeit acht bzw. neun Semesterwochenstunden (SWS) auferlegen, nicht mehr zeitgemäß sind. Eine gewisse Spanne des Lehrdeputats von vier bis 12 SWS (je nach Forschungs- oder Lehrschwerpunkt der Professuren) und eine entsprechende Variation des Deputats im Karriereverlauf eines Professors ist sachlich geboten. Wer eine Professur innehat, die in die Leitung eines größeren Forschungsinstituts eingebunden ist, oder wer einige Jahre ein größeres Forschungsprojekt leitet, sollte weniger lehren müssen. Ebenso wäre gut, wenn nach eigener Entscheidung eines Professors anstelle von Forschungsfreisemestern entsprechend gestreckte Deputatsreduktionen ermöglicht würden.

Umgekehrt sollten diejenigen, die ihre Ambitionen und Begabungen stärker in der universitären Lehre sehen, für die dauerhafte oder befristete Übernahme eines höheren Deputats durch substantielle finanzielle Anreize belohnt werden. Gerade weil und solange die Reputation eines Wissenschaftlers primär durch seine Forschungsleistungen bestimmt wird, muss sich eine freiwillige Mehrleistung in der Lehre über die intrinsiche Befriedigung hinaus im erzielbaren Einkommen lohnen. Einer derartigen flexiblen Anreizsteuerung, die sich nach den im Zeitverlauf wechselnden Gegebenheiten der Lehrnachfrage und den fachlich unterschiedlichen Gegebenheiten richten kann, ist gegenüber bürokratischen Deputatsfestschreibungen und Quoten von Lehrprofessuren Vorzug zu geben.

Unstrittig ist, dass allen Professuren an Universitäten ein signifikanter Tätigkeitsanteil an Forschung garantiert sein muss, um auch mit Blick auf die Qualität der – in Teilen auch in BA-Studiengängen forschungsnahen – Lehre dauerhaft auf dem Laufenden mit dem Erkenntnisfortschritt zu bleiben. Der vom Wissenschaftsrat hierfür vorgesehene Mindestanteil von einem Drittel kann unterstrichen werden. Mit Blick auf die schon lange herrschenden realen Verhältnisse einer faktischen zeitlichen Verdrängung der Forschung durch die Lehre und – im Gefolge von Bologna – durch das Management der Lehre muss man allerdings annehmen, dass für viele Professoren Zeitbudgets für Forschung, die diesen Mindestanteil überschreiten, schon längst Vergangenheit sind – oder mit einer Extensivierung nicht bezahlter Arbeitszeit erkauft werden. Damit steht zu befürchten, dass die Lehrprofessuren in der Praxis entsprechend unter den für sie formell vorgesehenen Level an Forschung gedrückt werden, womit dann das sachlich erforderliche Minimum unterschritten würde. Solange die Politik diesem Verdrängungsdruck keinen Einhalt gebieten kann und will, was letztlich nur durch eine massive Aufstockung des Lehrpersonals an den Universitäten geschehen könnte, liegt der Verdacht nahe, dass Lehrprofessuren in der Realität auf nichts anderes als auf eine schleichende ›Verfachhochschulung‹ der universitären Lehre hinaus laufen. Es mag sein, dass das – dann aber auch offen ausgesprochen – bei anderen Fächern in größerem Umfang als bisher schon institutionalisiert möglich ist; die Soziologie ist aber bislang weder als Ganze noch in Teilen ernsthaft als Fachhochschul-Studiengang diskutiert worden, und sie ist wegen ihrer schon immer stark ausgeprägten Forschungsorientierung dafür auch nicht geeignet.