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Gesellschaftliche Umbrüche und biographische (Trans-)Formationen – Methodenentwicklung im Kontext komplexer Krisendiagnosen

Deadline: 15. September 2024

Das Sonderheft knüpft an das Thema der Tagung ›Ungewisse Zukünfte – Bildung und Bi- ographie im Kontext gesellschaftlicher Umbrüche‹ der DGfE-Kommission Qualitative Bil- dungs- und Biographieforschung (2023) an und fokussiert methodische und methodologi- sche Fragen, die sich auf Verschränkungen und Schnittstellen zwischen gesellschaftlichen Umbrüchen und biographischen Formaten bzw. Praktiken richten.

Die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Umbrüchen und ihren Implikationen für die (Trans-)Formation von Biographien und Institutionen hat in der qualitativen Forschung eine lange Tradition. Dies zeigt sich in den Arbeiten der Chicago School of Sociology zu gesellschaftlichem Wandel (vgl. Alheit/Dausien 2009); der Untersuchung institutioneller und biographischer (Dis-)Kontinuitäten im Kontext politisch-gesellschaftlicher Krisen und Umbrüche (z.B. Schiebel 2003; Dreke/Hungerland 2022); in Studien zu sozialen Bewegun- gen und ihren Akteur:innen (z.B. Thon 2008) sowie in Analysen zu Transformationen und Tradierungen in pädagogischen Institutionen (z.B. Fabel/Wiezorek 2008; Demmer/En- gel/Fuchs et al. 2024).

Auch gegenwärtig sind Gesellschaften und Individuen mit weitreichenden Krisendiagnosen und damit verbundenen Transformationsanforderungen bzw. -aufforderungen konfrontiert. Diese stehen bspw. in Zusammenhang mit dem globalen Klimawandel; mit Kriegen und Ressourcenkonflikten sowie damit verbundenen Fluchtbewegungen; mit digital technolo- gisierten bzw. algorithmisierten Gesellschaften; mit der Infragestellung demokratischer Gesellschaftsmodelle sowie mit Kämpfen um politische und kulturelle Hegemonie. Dabei sind sowohl Gesellschaften als auch Individuen ungleichzeitig und in unterschiedli- cher Weise von diesen Entwicklungen betroffen und in sie involviert. Zudem werden Kri- sen(diagnosen) unterschiedlich relevant gesetzt, sodass sie ins kollektive Bewusstsein rü- cken oder auch vergessen werden.

Qualitative Bildungs- und Biographieforschung kann mit ihrem breiten methodischen Re- pertoire Prozesse und (ungleiche) soziale Bedingungen der (individuellen und kollektiven) Bearbeitung gesellschaftlicher Transformationen sichtbar machen. Darüber hinaus bietet sie die Möglichkeit, die institutionellen und organisationalen Praktiken der Formierung von Biographien im Kontext gesellschaftlicher Umbrüche zu rekonstruieren und zu reflektieren. Nicht zuletzt vermag sie es, die Diskurse und Wissensordnungen analysieren, in die diese Praktiken eingebettet sind. Um die Verschränkungen sozialer Transformationsprozesse mit individuellen Biographien sowie mit dem (diskursiven) Konstrukt ›Biographie‹ differen- ziert untersuchen zu können, erfordern solche Analysen jedoch (sozial- und subjekt-)theo- retisch und methodologisch reflektierte Forschungszugänge.

Das Sonderheft versammelt Beiträge, die sich anhand unterschiedlicher Gegenstandsberei- che der Frage widmen, wie gesellschaftliche Transformationsdynamiken in ihrer Ver- schränkung mit biographischen Konstruktionsformaten, Wissensformen und Praktiken der Biographisierung empirisch untersucht werden können und welche methodologischen und methodischen Herausforderungen sich dabei ergeben. Diese können die theoretische Kon- zeption und Perspektivierung der eigenen Forschungsgegenstände ebenso betreffen wie methodologische Grundannahmen, die Wahl und Weiterentwicklung methodischer Zu- gänge und ihre Verknüpfung oder Fragen der Gestaltung von Forschungspraxen und -pro- zessen (z.B. in differenz- und ungleichheitsreflexiver Absicht).

Erwünscht sind sowohl empirisch fundierte Beiträge zur Verschränkung von Biographie und gesellschaftlichen Umbrüchen als auch primär theoretisch-methodologisch ausgerich- tete Reflexionen zu dieser Frage. Darüber hinaus sind Beiträge erwünscht, die Implikatio- nen gegenwärtiger gesellschaftlicher Transformationen für die qualitative Forschungspra- xis und Methodenentwicklung reflektieren.

Mögliche Aspekte und Fragen, die behandelt werden können, sind u.a.:

  • Welche theoretischen Perspektiven, Konzepte und Methodologien erscheinen geeig- net, um das Verhältnis zwischen gesellschaftlichen Transformationen und ›Biogra- phie‹ zum Gegenstand qualitativer Forschung zu machen?
  • Wie vermitteln sich gesellschaftliche Umbrüche zu biographierelevanten pädagogi- schen Institutionen, Praktiken und Wissensformen und mit welchen Zugängen lässt sich dies untersuchen?
  • Welche Bedeutung haben gesellschaftliche Umbrüche und Krisen(diagnosen) für (in- stitutionelle und biographische) Konstruktionen von Zeit und Zukunft? Wie können diese theoretisch perspektiviert und methodisch zugänglich gemacht werden?
  • Welche Relevanz kommt vergessenem (und) biographischem Wissen angesichts ge- sellschaftlicher Umbrüche für Zukunftsentwürfe zu und wie lässt sich dies empirisch heben und rekonstruieren?
  • Welche Bedeutung haben gesellschaftliche Umbrüche für eine auf ›Biographie‹ und Biographien bezogene Forschungspraxis ( z.B. die Gestaltung von Forschungsbezie- hungen angesichts sozialer Machtasymmetrien) sowie Methodenentwicklung?

Das ZQF-Sonderheft wird von den Mitgliedern des Vorstands der DGfE-Kommission Qua- litative Bildungs- und Biographieforschung herausgegeben. Die Herausgeber:innen laden zur Einreichung von abstracts (in deutscher oder englischer Sprache) im Umfang von max. 4.000 Zeichen ein, aus denen dann Beiträge für das externe Peer-Review-Verfahren aus- gewählt werden. Das Postdoc-Netzwerk der Kommission beteiligt sich durch seine Vertre- ter:innen an diesem Prozess. Eine Beteiligung von Wissenschaftler:innen in Qualifikations- phasen an dem Heft ist ausdrücklich erwünscht. Die Publikation ist für Dezember 2025 geplant.

Bitte senden Sie ihre abstracts bis zum 15.09.2024 an: dorothee.schwendowius(at)ovgu.de.