Prof. Dr. Paula-Irene Villa Braslavsky (Wiederwahl)

Prof. Dr. Paula-Irene Villa Braslavsky

  • Professorin an der Ludwig-Maximilians-Universität München
  • Arbeitsschwerpunkte: Geschlechterforschung, Biopolitik / Körper, Kultursoziologie / Cultural Studies, Care, Sozialtheorie
  • DGS-Mitglied seit dem 19.06.2000
  • Mitglied der Sektionen Soziologie des Körpers und des Sports, Frauen- und Geschlechterforschung, Medien- und Kommunikationssoziologie
  • Vorstandsmitglied der DGS seit 2013, zunächst als Beauftragte für internationale Beziehungen, seit 2018 also Beauftragte für die Sektionen und für Beschäftigungsverhältnisse und stellvertretende Vorsitzende
  • Vorsitzende der DGS seit 2021
  • Mitglied des Konzils der DGS Konzil der DGS von 2011 bis 2013
  • Vorstand Sektion Frauen- und Geschlechterforschung von 1999 bis 2004
  • Vorstand Sektion Soziologie des Körpers und des Sports von 2016 bis 2020
  • Ethik-Kommission von 2011 bis 2013
  • Leitung Ausschuss ›Soziologie als Beruf‹ seit 2016
  • Leitung Ausschuss ›Beschäftigungsverhältnisse‹ von 2015 bis 2018
  • Website

Wahlprogramm

Ich bewerbe mich erneut um den Vorsitz der Deutschen Gesellschaft für Soziologie – nach inzwischen neun Jahren Mitarbeit im Vorstand, und zwei Jahren als Vorsitzender, sowie zuvor vier Jahren als Mitglied des Konzils (2009-2013). Auch durch meine Mitarbeit in den Vorständen der Sektionen Frauen- und Geschlechterforschung (1999-2004) und Soziologie des Körpers und des Sports (2016-2020) sowie Tätigkeiten in verschiedenen Ausschüssen und Kommissionen, habe ich einen soliden Eindruck von der Breite und Vielfalt der soziologischen Ansätze und Perspektiven in der DGS gewonnen, sowie von ihren Funktionsprinzipien und den Bedarfen ihrer Untergliederungen und ihrer Mitglieder. Dies betrifft Methoden, Theorien, normative Standpunkte, fach- und forschungspolitische Überzeugungen; es betrifft auch (Status-)Gruppen und ihre spezifischen professionellen Erfahrungen und Erwartungen an unsere Fachgesellschaft. Ich bin diesem Pluralismus verpflichtet und verstehe die Arbeit des Vorstandes sowie der Vorsitzenden als produktive Moderation dieser Vielfalt – balancierend zwischen zahlreichen Risiken, etwa Nischenabschottung, Einheitszwang, Bequemlichkeit der Beliebigkeit, Korporationsorganisation und Überpolitisierung.

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Balance gelingen kann und ich bin stolz, mit dem Vorstand der DGS dazu beigetragen zu haben: Der DGS Kongress 2022 in Bielefeld zeugte von der Stärke professioneller Sachkontroversen sowie der Möglichkeit, innerhalb der DGS spezifische Forschung mit dem breiten Fachgespräch zu verbinden. So soll es inhaltlich gern weiter gehen. Und dafür möchte ich mich weiterhin einsetzen. Hinsichtlich der Form würde ich als Vorsitzende eine Diskussion darüber anstoßen wollen, wie wir mit dem Problem umgehen können, dass es immer mühsamer wird, einen ausrichtenden Ort für den zweijährlichen analogen Kongress zu finden. Womöglich tragen strukturelle Dynamiken der Arbeitsverdichtung, Prekarisierung, steigende Drittmittelorientierung und die Unterfinanzierung der Hochschulen ihren Teil dazu bei, dass Institute immer weniger dazu in der Lage sind, einen großen und aufwändigen analogen Kongress ehrenamtlich zu stemmen (so gern sie das auch würden), selbst im Lichte eines DGS-seitig professionellen Organisations-Services. Ich meine, dass wir über die Vor- und Nachteile digitaler Kongresse realistisch beraten sollten, so sehr auch die analoge Kongress-Interaktion unersetzbar bleibt.

Auch die deutliche Wahrnehmbarkeit soziologischer Expertise und Analyse in der Öffentlichkeit zeugt von der Stärke einer pluralen, empirisch forschungsstarken und theoretisch fundierten Soziologie, die sich in der DGS versammelt: Denn die Fähigkeit, komplexe (bio-)soziale Wirklichkeiten – wie etwa eine Pandemie – auch angemessen komplex zu erforschen und diese Komplexität nicht durch, z.B. politisch gefällige Vereindeutigungen zu tilgen, hat zur gesellschaftlichen Selbstaufklärung beigetragen. Vielleicht nicht in hinreichendem Maße, aber doch, ist die Soziologie aktiv in Gremien, Kommissionen und weiteren Beratungsformaten zur Bewältigung gesellschaftlicher Probleme.

Plural, kontrovers und produktiv war auch die ausgiebige Diskussion zur Reform der Wahlordnung der DGS, die 2021 von der Mitgliedschaft mit großer Mehrheit entschieden wurde. Die Sichtbarkeit der nicht-professoralen Mitglieder der DGS, ihr Mitwirken in den Gremien und Entscheidungsprozessen wird dank der Reform der Wahlordnung steigen. Doch sind dies auch riskante Dynamiken, denn die DGS ist keine korporatistische Organisation – sie sollte es als Fachverband meines Erachtens auch nicht sein. So gilt es auch weiterhin Wege zu finden, verbandsintern mit Status- und Interessensdifferenzen produktiv umzugehen. Wir verfügen als Fach über eine enorme Expertise zu genau diesen Fragen. Das gilt es für die DGS zu nutzen, vor allem aber auch nach außen zu tragen.

Ich habe als Vorsitzende die DGS in der vergangenen Legislatur noch enger mit weiteren wissenschaftlichen Verbänden und Netzwerken vernetzt, um forschungspolitisch sinnvoll zu agieren. Dies erschöpft sich nicht in – wichtigen! – Stellungnahmen, sondern beinhaltet auch laufende Gespräche und Konsultationen mit den Akteuren der Forschungs- und Wissenschaftspolitik, etwa konkret zur Reform / Abschaffung des WissZeitVG. Die Kooperation mit weiteren Verbänden möchte ich weiterhin pflegen und stärken. In dieser Hinsicht war mir auch wichtig, die Beziehung zur ›Akademie für Soziologie‹ pragmatisch zu normalisieren, das ist in der letzten Legislatur gut gelungen. Die inter- und transnationale Zusammenarbeit mit weiteren soziologischen Fachgesellschaften und Vereinigungen – ESA, ISA – sollte auch zukünftig ein wichtiges Element der verbandspolitischen Arbeit der DGS sein.  

Das Open Access englischsprachige Zeitschriftenprojekt – GSJ – ist leider zunächst auf Eis gelegt, da wir die Finanzierung nicht ohne Drittmittel stemmen können. Mit dem Konzil und den Sektionen wurden das pro/con der Zeitschrift sowie weitere Optionen wiederum kontrovers und nuanciert diskutiert, das war hoch produktiv. Als Vorsitzende würde ich in der nächsten Legislatur gern die Variante einer Erweiterung der bisherigen Verbandszeitschrift SOZIOLOGIE voranbringen, so dass diese langfristig Teil einer digitalen DGS-Plattform würde, die auch einen OA peer review Anteil hätte.

Schließlich möchte ich auch weiterhin die Sichtbarkeit der Soziologie als evidenzbasierte, forschungsstarke, methodenplurale und (selbst-)reflexive Disziplin stärken.