Liebe Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Soziologie,
Zeiten des gesellschaftlichen Umbruchs und des beschleunigten sozialen Wandels, wie wir sie in den vergangenen Jahren erlebt haben, sind auch die Zeit der Soziologie. Von der fortwährenden Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise in Europa bis zu den politisch-sozialen Konflikten im gesamten Mittelmeerraum, von den politischen und ökonomischen Machtverschiebungen im Weltsystem und den Grenzen der Wachstumsgesellschaft bis zu den Revolutionierungen unseres Alltags durch immer neue Kommunikationstechnologien und die scheinbar grenzenlose Ausweitung der Marktlogik: Die soziale Welt ist, im Großen wie im Kleinen, in Bewegung. Und mit dieser Bewegung vor Augen ist die Soziologie als kritische Beobachterin des sozialen Geschehens gefragt – eines Geschehens, von dem sie selbst ein Teil ist und an dem sie auch aktiv teilhat.
Auch die Deutsche Gesellschaft für Soziologie hat sich verändert. Spätestens mit der Jahrtausendwende hat sie sich in verschiedener Hinsicht geöffnet: den Studierenden der Soziologie als vollwertigen Mitgliedern einer einst eher Honoratiorencharakter tragenden Organisation; den neuen Medien als Kanälen der Verbreitung soziologischen Wissens und der Verbreiterung des soziologischen Felds; der nicht-wissenschaftlichen Öffentlichkeit als Adressatin soziologischer Gesellschaftsanalyse und Zeitdiagnose. Als Mitglied ihres Vorstands durfte ich in den vergangenen beiden Jahren an diesem Prozess der ›Vergesellschaftlichung‹ der DGS mitwirken – und werde diese Mitwirkung in den beiden kommenden Jahren fortsetzen können. Das freut mich sehr. Für das Vertrauen, das Sie mir als wählende (und mittelbar auch als nicht-wählende) Mitglieder entgegengebracht haben – die Entlehnung dieser reichlich abgedroschen klingenden, aber doch irgendwie zutreffenden Umschreibung aus dem politischen Feld sei erlaubt –, möchte ich mich ganz herzlich bedanken.
An dem Versuch, dieses Vertrauen nach Möglichkeit nicht zu enttäuschen, werden drei erfahrene und drei neu hinzugekommene Vorstandsmitglieder maßgeblich beteiligt sein: Nicole Burzan (als stellvertretende Vorsitzende), Michaela Pfadenhauer und Paula Villa nehmen die Plätze von Ronald Hitzler, Martina Löw und Sighard Neckel ein – Peter Berger, Uwe Schimank und Georg Vobruba sind nach wie vor mit von der Partie. Somit könnten die Voraussetzungen, die von mir in den letzten beiden Jahren erlebte – und genossene – Gestalt und Arbeitsweise des DGS-Vorstands als wirkliches Kollegialorgan möglichst nahtlos fortzuführen, kaum besser sein. Sie als Wählerinnen und Wähler haben meines Erachtens einen tollen Vorstand bestimmt, der ganz sicher das Kapital eines sozial gut integrierten Gremiums zu bewahren wissen wird. Dies aber dürfte eine wesentliche Voraussetzung dafür sein, einige der bereits begonnenen Initiativen und Vorhaben weiterzuführen und zu verstetigen.
Zum einen ist hier die Einführung eines Onlineportals zu nennen, das unter Mitwirkung der soziologischen Institute und Fachschaften – und unter Verzicht auf das wenig sachgemäße und sachdienliche Instrument der Ranglistenerstellung – eine möglichst weitreichende Transparenz über die Studienbedingungen in den soziologischen Studiengängen an deutschen Universitäten herstellt. Zum anderen sollen die Bemühungen intensiviert werden, das vom letzten Vorstand vorgeschlagene Veranstaltungsformat ›DGS goes public‹ zu institutionalisieren, indem lokale Initiativen einer ›Veröffentlichung‹ der Soziologie angeregt, unterstützt und dokumentiert werden (und vielleicht auch der Vorstand selbst den Auftakt zu einer entsprechenden Veranstaltungsreihe macht). Schließlich scheint es mir – angesichts des Wandels auch von gesellschaftlichen Arbeitsfeldern und Beschäftigungsbedingungen und in Anbetracht des Interesses der Studierenden an belastbarem Wissen über die Praxisfelder der Soziologie – ein wichtiges Anliegen zu sein, die Kooperationsbeziehungen mit dem Berufsverband Deutscher Soziologinnen und Soziologen zu intensivieren; das geplante Studieninformationssystem kann einen ersten Anlass dazu bieten.
Grundsätzlich wird es mir in den kommenden beiden Jahren darum gehen, die Deutsche Gesellschaft für Soziologie noch stärker als einen im engeren wie im weiteren Sinne fachpolitischen Akteur zu positionieren und als solchen gesellschaftlich sichtbar werden zu lassen. Die materiellen, personellen und intellektuellen Ressourcen dafür sind in der DGS wie in der Soziologie insgesamt reichlich vorhanden, der kommende DGS-Kongress in Trier wird thematisch den idealen Rahmen hierfür bieten – und die gegenwärtigen Verhältnisse, so meine ich, sind schlicht danach.
Abschließend möchte ich mich insbesondere bei Martina Löw, die leider nicht noch einmal kandidieren mochte, für ihre professionspolitische Arbeit in den vergangenen Jahren bedanken. Und ich danke auch Ronald Hitzler, mit dem ich über Wochen hinweg – unter stilistisch gebotenem Ausschluss der Öffentlichkeit – einen überaus hart bandagierten E-Mail-Wahlkampf geführt habe.
Ich freue mich auf die anstehende Vorstandsarbeit und setze auch in den kommenden beiden Jahren auf eine lebendige und für ihre Mitglieder wie die breite Öffentlichkeit attraktive DGS.
Herzliche Grüße und auf bald,
Stephan Lessenich