Meldungen des Vorstands

SOZIOLOGIE Jahrgang 50 - Heft 3 - 2021

Aus dem Inhalt

  • Arno Bammé: Die Aktualität frühmoderner Soziologen
  • Bianca Prietl, Ursula Rami: Soziologie auf Distanz studieren
  • Jo Reichertz: Die coronabedingte Krise der qualitativen Sozialforschung
  • Birgit Blättel-Mink, Paula-Irene Villa Braslavsky: Wechsel des DGS-Vorsitzes. Briefe zum Abschied und zur Begrüßung

Identität und Interdisziplinarität

Arno Bammé
Die Aktualität frühmoderner Soziologen

Durch den Vergleich von Theorieansätzen frühmoderner Soziologen zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit den Theorieansätzen spätmoderner Fachvertreter gegen Ende des Jahrhunderts lassen sich überdauernde Kontinuitäten und gravierende Brüche im Entstehungsgeschehen und weiteren Entwicklungsverlauf der soziologischen Fach­­geschichte zeigen. Es stellt sich heraus, dass Vieles von dem, was die frühen So­zio­logen dachten und schrieben, nach wie vor von überaus aktueller Bedeutung ist, zumal in Krisenzeiten wie der weltumspannenden Corona-Pandemie. Am Bei­spiel Rudolf Gold­­scheids versuche ich, den konflikthaften Ent­wick­lungs­prozess der Soziologie an aus­gewählten Themenfeldern exemplarisch nach­zu­zeich­nen, um zu ver­deut­lichen, dass es auch heute noch Sinn macht, sich verloren gegangene Erkenntnisse früh­mo­der­ner Soziologen ins Bewusstsein zurückzurufen, nicht um über sie, sondern mit ihnen zu arbeiten.

Comparing the approaches of early-modern sociologists at the beginning of the 20th century with those of the late-modern sociologists at the end of the century will show outlasting continuities and serious ruptures in the process of formation and further development of their science. Reading their thoughts and findings again points out, that they are still of current interest, just in times of Corona. Discussing the case of Rudolf Goldscheid I try to note down the conflicting genesis of sociology in several topics for making clear, that it is still useful to re­mem­ber the pushed aside findings of early-modern sociologists – not to work on them but to do it with them.

Forschen, Lehren, Lernen


Bianca Prietl, Ursula Rami
Soziologie auf Distanz studieren

Dieser Beitrag handelt davon, wie Studierende des Bachelor Soziologie an einer öster­­reichischen Universität das sogenannten Distance Learning im Frühjahr und Som­mer 2020 erlebten. Die empirische Basis für diese Ausführungen bilden 27 qua­li­tative leit­fadengestützte Interviews. Obwohl ein Großteil der Beforschten der Fern­­lehre einige Vor­züge abgewinnen konnte, wünschten sich viele eine Rückkehr zum Prä­senz­stu­dium. Dies wurde in erster Linie damit begründet, dass in der Dis­tanz­­lehre ›das ganze So­ziale fehle‹ bzw. allgemeiner, dass beim Umstieg auf Distance Learning doch sehr viel ›verloren gehe‹. Die vorliegende, explorative Analyse geht die­sen Ver­lust­er­zäh­lungen nach und fragt, inwiefern ›das Digitale‹ nicht als gleich­wer­tiger Ersatz für face-to-face Austausch erlebt wird. Vor diesem Hintergrund wer­den Leh­ren für zukünftige Digitalisierungsstrategien der (soziologischen) Hoch­schul­­lehre ab­geleitet.

This paper asks how students experienced the so-called distance learning in spring and sum­mer 2020. This exploratory analysis is based on 27 qualitative interviews with stu­dents of the Bachelor of Sociology at an Austrian university. Although a large part of the interviewees saw some advantages in distance learning, many wished to return to face-to-face forms of teaching and learning. The main reason given for this was that dis­tance learning ›lacks the social aspects‹ or, more generally, that a lot is ›lost‹ when swit­ching to distance learning. The paper investigates these narratives of loss and asks why ›the digital‹ is not experienced as equivalent to face-to-face ex­change. Against this back­ground, lessons for future digitalization strategies of (so­cio­logical) university tea­ching are derived.

Jo Reichertz
Die coronabedingte Krise der qualitativen Sozialforschung

Der Artikel entwickelt und begründet die These, dass die empirische Sozial­for­schung durch die Corona-Pandemie in eine tiefgreifende und nachhaltige Krise ge­rät. Dies deshalb die Qualität der Ergebnisse der Sozialforschung weniger gut ist, weil die Me­tho­den der Datenerhebung nicht mehr den Fragestellungen ent­spre­chend angewendet werden können, weil die Arbeit der Forschungsteams aufgrund der Digitalisierung der Kom­mu­ni­ka­tions­pro­zesse nicht mehr so effektiv ist, weil wis­sen­schaftliche Karrieren durch die Pandemie nach­hal­tig und negativ beeinflusst werden und weil die Er­for­schung der Lebensbereiche von Älteren, nicht so Gesunden, nicht so Wohl­habenden und nicht so Gebildeten auf absehbare Zeit nicht mehr angemessen durch­geführt wer­den kann. Nach der Pan­demie wird die sich jetzt schon abzeichnende neue Pra­xis der Sozial­for­schung stark von digitalen und online-gestützten Methoden der Daten­er­he­bung, Daten­aus­wer­tung und der Projektorganisation und damit auch der Personal­füh­rung geprägt sein. Ein solcher Wandel wird jedoch die Qualität der qualitativen Sozial­forschung be­ein­träch­tigen.

The article develops and justifies the thesis that empirical social research is facing a profound and lasting crisis due to the Corona pandemic. That therefore the quality of the results of social research is less good, because the methods of data collection can no longer be carried out according to the questions, because the work of research teams is no longer as effective due to the digitalization of communication processes, because scientific careers at all levels of qua­lification are permanently and negatively affected by the pandemic, and because research into the life-worlds of the elderly, the not-so-healthy, the not-so-affluent and the not-so-educated can no longer be adequately carried out in the foreseeable future. After the pandemic, the new practice of social research that is already emerging will be strongly characterized by digital and online-based methods of data collection, data analysis and project organization, and thus also personnel management. However, such a change will affect the quality of qualitative social research negatively.
Hier der Volltext zum Download.
 

DGS-Nachrichten

  • Birgit Blättel-Mink, Paula-Irene Villa Braslavsky: Wechsel des DGS-Vorsitzes. Briefe zum Abschied und zur Begrüßung
  • Vorstand der DGS 2021 bis 2023
  • DGS-Empfehlungen für eine ökologisch nachhaltige Soziologie    
  • Stellungnahme zur geplanten Änderung der Lehramtszugangsverordnung in Nordrhein-Westfalen
  • Veränderungen in der Mitgliedschaft    

 

Berichte aus den Sektionen und Arbeitsgruppen

  • Sektion Medizin- und Gesundheitssoziologie       
  • Arbeitskreis Quantitative Religionsforschung zu Migration und Religion                 

Nachrichten aus der Soziologie

  • Tanja Bogusz: Un homme pluriel – Wolf Lepenies zum 80. Geburtstag                 
  • Harald Homann: Der zugewandte Blick – Johannes Weiß zum 80. Geburtstag
  • Hermann Pfütze: Zum 100. Geburtstag von Dieter Claessens           
  • Gisela Trommsdorff: In memoriam Günter Endruweit
  • Hans-Peter Blossfeld: In memoriam Götz Raimund Rohwer
  • Habilitationen    

  • Call for Papers  
    • Conspiracy Theories and Leftwing Populism
    • Die Europäische Union und ihre Grenzen
    • Aufgaben historischer Soziologie
  • Tagungen           
    • Rechtsextremismus als Herausforderung für die Soziologie
    • Public(s) in Global Politics