Sehr verehrte, liebe Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Soziologie,
die DGS-Gremienwahl und den Wechsel im Vorsitz unserer Fachgesellschaft nehmen wir als ›alte‹ und ›neue‹ Vorsitzende zum Anlass, um auf die vergangene Amtszeit zurückzublicken und um Sie über die aktuellen Ziele und Planungen zu informieren.
In jeder Amtszeit besteht eine wichtige Aufgabe des DGS-Vorstands darin, gemeinsam mit dem jeweiligen lokalen Organisationsteam den zweijährlich stattfindenden Soziologiekongress vorzubereiten und – in Zusammenarbeit mit den Sektionen, Vortragenden und vielen anderen Akteurinnen und Akteuren – durchzuführen. 2018 hat dieser Kongress an der Georg-August-Universität in Göttingen unter dem Titel ›Komplexe Dynamiken globaler und lokaler Entwicklungen‹ mit 2.240 Teilnehmerinnen und Teilnehmern erfolgreich stattgefunden. Eine erfreulich positive Rückmeldung lieferte unter anderem die Online-Befragung unter den Teilnehmenden (n=624), derzufolge – hier seien nur einige Streiflichter genannt – 80% des Plenumspublikums die fachliche Qualität der Plenarvorträge als hoch oder sehr hoch beurteilt haben. 86% der Befragten hatten den Eindruck, dass ihre Arbeits- und Fachgebiete mindestens teilweise vertreten waren (43% hielten sie sogar für sehr gut vertreten). Und 88% werden ganz sicher oder wahrscheinlich wieder an einem DGS-Kongress teilnehmen. Auch das Interesse an den Beiträgen in den Kongressbänden, die seit 2015 in digitaler Form erscheinen, ist hoch: Für die Beiträge zu den Kongressen 2014 und 2016 gab es im Jahr 2018 115.602 Volltextzugriffe, im ersten Quartal 2019 waren es bereits 29.255. Die Beiträge zum Kongress 2018 werden Ende Oktober 2019 verfügbar sein. Doch nicht allein die Zahlen bestätigen: Göttingen bot eine gute Stimmung sowie fruchtbare Diskussionen und Vernetzungsmöglichkeiten, die uns gespannt auf die kommenden Veranstaltungen blicken lassen.
Einige weitere Schwerpunkte der Vorstandsarbeit der letzten beiden Jahre möchte ich zusätzlich herausgreifen:
Organisationen entwickeln sich fortwährend weiter – und in diesem Sinne haben wir nicht nur unser Logo ein wenig zeitgemäßer gestaltet. Die DGS-Gremien haben eine Reform der Wahlordnung beschlossen, die bereits bei der diesjährigen Wahl zur Anwendung kam. Unter anderem gehört dazu ein transparenteres, systematisches Nominierungsverfahren für einzelne Mitglieder, Sektionen und das Konzil. Auch darüber hinaus wurden die Sektionen als zentrale Untergliederung unserer Fachgesellschaft gestärkt, beispielsweise durch eine frühzeitige Beteiligung an der Kongressplanung und durch eine zusätzliche Versammlung der Sprecherinnen und Sprecher.[1] Diese hat im vergangenen November erstmalig unter starker Beteiligung stattgefunden, moderiert durch Monika Eigmüller und Michael Meuser, dem bisherigen Beauftragten im Vorstand für die Sektionen. Einen weiteren Diskussionspunkt im Hinblick auf interne Reformen stellte in den letzten Jahren die Beteiligung des sogenannten ›Mittelbaus‹ dar. Nicht nur wurden Mitglieder dieser Statusgruppe sowohl in den DGS-Vorstand als auch in das Konzil gewählt, sondern zusätzlich setzte das Konzil einen Ausschuss ›Soziologie als Beruf‹ (unter der Leitung von Paula-Irene Villa Braslavsky) ein, der unter anderem Beschäftigungsbedingungen thematisiert. Eine detaillierte Evaluation der internen Reformen wird das Konzil im kommenden Herbst vornehmen.
Ein sehr aktiver Ausschuss unter der Leitung von Reiner Keller zu ›Soziologie in Schule und Lehre‹ machte öffentlichkeitswirksam auf die Unterrepräsentanz der Soziologie in der sozialwissenschaftlichen Bildung aufmerksam. Neben Beiträgen hier in der SOZIOLOGIE (Heft 1/2018) und zahlreichen Veranstaltungen hat der Ausschuss beispielweise 2018 den Aufruf ›Soziologische Grundbildung für die Schule!‹ veröffentlicht und 2019 im Rahmen der Verbändeanhörung eine Stellungnahme zu Lehrplanänderungen in Nordrhein-Westfalen abgegeben. Im Bereich Studium konnten für das Informationsportal studium.org/ die soziologischen Angebote aus Österreich und der Schweiz ergänzt werden.
In der Forschung ist die DGS in Diskussionen zu Entwicklungen beispielsweise in den Bereichen Forschungsethik, Forschungsdatenmanagement und -infrastruktur involviert. Dazu stehen wir in engem Kontakt mit anderen Institutionen, etwa der DFG, dem Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten oder als Beirat (den Olaf Struck in der letzten Amtszeit als Vorstandsvertreter geleitet hat) mit dem Fachinformationsdienst Soziologie, der von der GESIS und der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln verantwortet wird. Zur Bereitstellung und Nachnutzung von Forschungsdaten haben wir Anfang 2019 eine Stellungnahme der DGS veröffentlicht, die Sie auf der (demnächst neu gestalteten) Homepage sowie in der vorigen Ausgabe der SOZIOLOGIE finden.
Ein stetiges Engagement in den Bereichen sicherer Finanzen (Dariuš Zifonun) und bei der Herausgabe der laut Leser/innenumfrage erfreulicherweise als Verbandsorgan sehr gut angenommenen Zeitschrift SOZIOLOGIE (Sina Farzin) stellte auch in den letzten zwei Jahren ein wichtiges Standbein der Vorstandsarbeit dar.
In der Zusammenarbeit mit den Vorstands- und Konzilsmitgliedern, den jederzeit und umfassend unterstützenden Mitarbeiter/innen in der Geschäftsstelle sowie zahlreichen engagierten DGS-Mitgliedern, denen ich für ihre Arbeit, ihre Anregungen, ihren Zu- und Widerspruch an dieser Stelle herzlich danken möchte, blicke ich persönlich somit auf eine arbeits-, aber insbesondere erfahrungsreiche sowie oft interessante und mitgestaltende DGS-Gremienarbeit zurück – zunächst im Konzil, dann in den letzten sechs Jahren im Vorstand und von 2017 bis 2019 als Vorsitzende. Ganz sicher werde ich mich weiterhin in der Fachgesellschaft engagieren. Der Wechsel im Vorstand bietet allerdings die Chance, zum einen für mich persönlich, mich hoffentlich ein wenig mehr der Forschung zuwenden zu können, und zum anderen für die DGS, um mit fünf neu gewählten Vorstandsmitgliedern in der kommenden Amtszeit neben der Fortführung wichtiger Initiativen eigene Akzente zu setzen. Ich freue mich darauf und wünsche meiner Nachfolgerin Birgit Blättel-Mink und den anderen Vorstandsmitgliedern dafür alles Gute!
Nicole Burzan
Liebe Nicole, sehr verehrte, liebe Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Soziologie,
der erste Monat meiner Amtszeit neigt sich dem Ende – wenn ich diese Zeilen schreibe – und es fühlt sich an, als wäre ich schon lange dabei, auch wenn ich Einiges noch nicht verstehe und jeden Tag froh bin, dass ich Sonja Schnitzler an meiner Seite weiß. Ich danke Ihnen / Euch für das mir erteilte Vertrauen, in den kommenden zwei Jahren gemeinsam mit dem neu gewählten Vorstand und der Geschäftsführung die Interessen der DGS im In- und Ausland vertreten zu können und freue mich auf eine kritisch-konstruktive Zusammenarbeit.
Welches sind die großen und kleineren Herausforderungen der kommenden Jahre?
Zu den herausragenden Ereignissen zählen die geplanten Kongresse: die 2. Regionalkonferenz der DGS, pünktlich zum 110. Geburtstag der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zu ›Great Transformation. Die Zukunft moderner Gesellschaften‹, der 7. Studentische Soziologiekongress an der Ruhr-Universität Bochum zum Thema ›Grenzenlos leben?! – Interdisziplinär denken‹ und der 40. Kongress der DGS zum Thema ›Gesellschaft unter Spannung‹ im September 2020 an der TU Berlin. Hier wird der Vorstand nach Kräften unterstützen.
Auf der ersten Sitzung des neuen Vorstands im April 2019 haben wir weitere Ziele und Aufgaben formuliert, denen wir uns in den kommenden Jahren widmen wollen. Dazu gehört die Methodenlehre an den Instituten mit soziologischen Studiengängen in Deutschland. Geplant ist eine Erhebung an allen Instituten, um den Stand der Methodenlehre [2] in Deutschland zu identifizieren. Angestrebt werden soll eine ausgeglichene Verteilung von qualitativer und quantitativer Methodenbildung. Zudem wird der neue Vorstand die Aktivitäten des bisherigen Vorstands zur Förderung der Soziologie in der Schule fortführen. Gabriele Rosenthal wird diese Aufgaben im neuen Vorstand übernehmen.
Im April 2019 hat der Ausschuss ›Soziologie als Beruf‹ seine Arbeit aufgenommen. Ziel des Ausschusses ist unter anderem, gemeinsam mit anderen Fachgesellschaften und der Politik die Verbesserung der Beschäftigungsverhältnisse des wissenschaftlichen Nachwuchses voranzubringen. Paula-Irene Villa Braslavsky wird diese Aufgabe fortführen und zudem die Betreuung der Sektionen übernehmen. Die durch den alten Vorstand initiierte Stärkung der Sektionen in den Gremien der DGS wird auch der neue Vorstand fortsetzen.
Dass sich aktuell die Angriffe auf die Wissenschaftsfreiheit – auch in Deutschland – häufen, wird ein weiteres Thema sein, dem sich der neue Vorstand, idealerweise in Kooperation mit anderen Fachverbänden, zu widmen hat. Dabei werden wir nach Kräften auch unsere Kolleg_innen in den Ländern unterstützen, in denen die Soziologie nachweislich in ihrer Existenz bedroht ist, wie aktuell in Brasilien.
Daneben wird es beim Thema internationale Kooperationen um die Stärkung alter und die Schaffung neuer Kooperationen innerhalb und außerhalb Europas gehen. Dies wird vor allem angesichts des – ja gar nicht mehr ganz so sicheren – Brexits unter veränderten Rahmenbedingungen geschehen. Hans-Peter Müller wird sich als Beauftragter für internationale Beziehungen und in Zusammenarbeit mit weiteren Mitgliedern des Vorstands dieser Aufgabe widmen.
Hubert Knoblauch, als Beauftragter für Forschung, wird die mit anderen Fachverbänden und Institutionen initiierten Bemühungen der DGS zur Verbesserung der Forschungsethik und zu einem alle Forschenden schützenden und stützenden Forschungsdatenmanagement fortführen, was angesichts des spezifischen Digitalisierungsdiskurses in Deutschland keine geringe Herausforderung darstellt. Vorstand und Konzil werden ihn bei dieser Aufgabe unterstützen, wie im Übrigen auch in seiner Rolle als federführender Koordinator des nächsten Soziologiekongresses.
Larissa Schindler wird das Finanzressort übernehmen und Sorge dafür tragen, dass die DGS-Kongresse adäquat durchgeführt werden können und dass sämtliche Konten in Übereinstimmung mit dem Vereinsrecht geführt werden.
Über die Kongresse informieren und die Mitglieder zu Beiträgen und Stellungnahmen für die SOZIOLOGIE einladen, wird weiterhin Sina Farzin gemeinsam mit ihrem Team. Ich denke, ich spreche für uns alle, wenn ich ihr an dieser Stelle für ihre bisherige Arbeit herzlich danke.
Die Evaluation der Reform der Wahlordnung wird ein Tagesordnungspunkt auf der Konzilssitzung im September in Jena sein. Gegebenenfalls notwendige Korrekturen können dort besprochen werden. Auch wird die überarbeitete Website der DGS spätestens zu diesem Termin freigeschaltet sein. Im Oktober und November dieses Jahres werden die DFG-Fachkollegienwahlen stattfinden, zu deren Teilnahme ich alle Kolleginnen und Kollegen ermuntern möchte. Es ist wünschenswert, in diesem Gremium Vertreter_innen zu haben, die offen sind für die Vielstimmigkeit unseres Faches.
Ein besonderes Augenmerk wird auch der neue Vorstand auf die Vielstimmigkeit legen, nicht nur was die paradigmatische und methodologische Ausrichtung der Soziologie betrifft, sondern auch im Hinblick auf die Zusammensetzung der Mitglieder in den Gremien der DGS (Statusgruppen, Geschlecht, Alter, Ost-West, Migrationshintergrund u.a.). Ich danke dem alten Vorstand unter der Leitung von Nicole Burzan für seine Anstrengungen auf diesem Feld.
Es bleibt mir zu betonen, wie sehr ich mich über die Wahl zur Vorsitzenden gefreut habe. Dass das kein leichtes Geschäft werden wird, ist mir bewusst und erfahre ich seitdem nahezu täglich. Ich bin jedoch optimistisch, dass wir Soziolog_innen – und damit meine ich die wissenschaftliche Gemeinschaft in ihrer Vielstimmigkeit – es schaffen werden, interne Konflikte und Spannungen kommunikativ zu bearbeiten und unsere Kompetenzen in den Dienst der immensen gesellschaftlichen Herausforderungen zu stellen. Die anstehenden Kongresse in Jena und Berlin werden sich als Meilensteine auf diesem Weg erweisen.
Schließen möchte ich mit einer Variation eines Ausspruchs von Vicco von Bülow, alias Loriot, unserem verstorbenen Ehrenmitglied:
Es mag möglich sein, dass eine Gesellschaft ohne Soziologie auskommt, die Sinnhaftigkeit eines solchen Zustandes muss jedoch kritisch hinterfragt werden – und dafür wiederum braucht es soziologische Expertise!
Birgit Blättel-Mink
[1] Vgl. https://soziologie.de/deutsche-gesellschaft-fuer-soziologie/satzung/wahl-und-verfahrensordnung
[2] Siehe hierzu auch: S. Eifler, J.H.P. Hoffmeyer-Zlotnik, D. Krebs 2011: Die Methodenausbildung in sozialwissenschaftlichen BA-Studiengängen. SOZIOLOGIE, 40. Jg., Heft 4, 443–465.