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Ausschreibung für ein Verbundprojekt der Daimler und Benz Stiftung ›Geschichtsnarrative in Europa zwischen Konflikt und Dialog‹

Mit dem Format Ladenburger Kolleg greift die Stiftung wichtige gesellschaftliche Trends auf. In einer Zeit, in der sich nationalistische Geschichtsnarrative in Europa ausbreiten, möchte die Stiftung durch diese Ausschreibung ein Projekt fördern, das Wege aufzeigt, wie das Konfliktpotenzial umstrittener Geschichte entschärft und offene Dialoge über antagonistische Narrative in Gang gesetzt werden können. Der Fokus des Projekts soll auf Europa liegen, ist aber nicht auf zwischenstaatliche Konflikte beschränkt, sondern kann sich
auch auf innergesellschaftliche Kontroversen richten. Internationale Zusammenarbeit ist dabei ausdrücklich erwünscht.

Die Ausschreibung will interdisziplinär angelegte Projektideen aus den Geschichts-, Kultur- und Sozialwissenschaften ermutigen. Die Beteiligung ausländischer Projektpartner ist ausdrücklich erwünscht.
Im Mittelpunkt der Fragestellung soll das Spannungsverhältnis von historischen Narrativen stehen, wobei der Zugang sowohl empirisch-analytisch als auch auf die Erarbeitung praktischer Ansätze gerichtet
sein kann.

Im Mittelpunkt des aktuellen öffentlichen Interesses stehen die antagonistischen historischen Narrative Osteuropas, doch schließt der europäische Fokus der Ausschreibung auch andere Teile des Kontinents ein, etwa Geschichtserzählungen, die Unabhängigkeitsbestrebungen in Westeuropa begründen sollen. Die deutschen Erfahrungen mit dem Streben nach Überwindung antagonistischer und trennender historischer Narrative können ebenfalls thematisiert werden, sollen jedoch nicht als normatives Modell vorausgesetzt werden.

Konfliktäre historische Narrative müssen nicht in Gänze empirisch falsch sein, doch sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich gegen äußere und/oder innere ›Feinde‹ richten und zu diesem Zweck politisch instrumentalisiert werden. Geteilte Narrative wiederum zielen nicht primär auf Konsens oder die Einebnung von Kontroversen, sondern beruhen auf Dialog und der Pluralität von Perspektiven. Die methodischen Standards der Geschichtswissenschaft ermöglichen im Idealfall eine ergebnisoffene Argumentation und Verständigung, können jedoch weder im politischen Raum noch in medialen Öffentlichkeiten auf allgemeine Akzeptanz hoffen. Wo Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit eingeschränkt sind und Geschichtserzählungen
verbindlich vorgeschrieben werden, ist die Suche nach geteilten Narrativen und multiperspektivischen Erinnerungen schwierig und riskant. Daher möchte die Ausschreibung neben bisherigen Forschungsprojekten ausdrücklich auch unkonventionelle sowie unerprobte Ideen und Formate ermutigen.

Im Mittelpunkt der Förderung können z. B. stehen:

  • Möglichkeiten und Grenzen gemeinsamer bi- oder multinationaler Schulbuchprojekte
  • Kontroversen über ›Geschichtsgesetze‹, die historische Narrative rechtlich sanktionieren
  • Bi- und multinationale zivilgesellschaftliche Initiativen zur Aufarbeitung von Geschichte und zur Ermöglichung unterschiedlich wahrgenommener Erinnerungen
  • Kontrastive Analyse von Narrativen in Museen, Erinnerungsritualen und Populärkultur