Aktuell

Debatte um Wissenschaftsskepsis

Deadline: 01. April 2024

Im Lichte der massiven Proteste gegen die Pandemiemaßnahmen hat sich in den letzten Jahren in der politischen Öffentlichkeit intensive Besorgnis um eine wachsende Wissenschaftsfeindlichkeit eingestellt. Auch wenn die Proteste heute kaum mehr die Massen bewegen können, ist der radikalisierte Kern der Bewegung weiterhin aktiv und das latente Potential für Massenmobilisierungen vorhanden, weil Verschwörungsnarrative und eine wie auch immer geartete Wissenschaftsskepsis im Denken verankert bleiben.

Die Maßnahmenkritik hat auf Seiten gesellschaftlicher Institutionen ebenso wie unter ihren Träger*innen eine Reorientierung katalysiert, die sich nicht zuletzt in politischen Debatten und Agenden niedergeschlagen hat. So blicken die im Rahmen der Entwicklung einer Strategie zur Stärkung des Vertrauens in Wissenschaft im BMBWF angestoßenen Monitorings und Berichte vornehmlich auf sozialstrukturelle Charakteristika von Personen, die wissenschaftsfeindlichen Aussagen zustimmen und untersuchen Ursachen wie Bildung, Stadt-Land-Gefälle, etc. als treibende Faktoren für Wissenschaftsskepsis. Dabei geraten sowohl der gesellschaftliche Kontext, in dem Wissenschaftsskepsis zu einem Problem (stilisiert) wird, als auch die spezifischen Lebenswelten, Alltagskulturen und Szenen, in denen diese ggf. virulent ist, aus dem Blickfeld der Debatte.

Hierzu hat die Soziologie spätestens seit Ulrich Becks Diagnose einer Risikogesellschaft gesellschaftstheoretische ebenso wie empirische Arbeiten hervorgebracht, die den sich während der Pandemie diskursiv aufdrängenden Themenkomplex der Wissenschaftsskepsis über diesen verhältnismäßig engen zeitgeschichtlichen Kontext hinaus begreif- und diskutierbar machen sowie analytische Fluchtlinien im Hinblick auf künftige gesellschaftliche Herausforderungen bieten.

So verweisen gegenwärtige soziologische Arbeiten beispielsweise auf eine Epistemisierung des Politischen, die Wertkonflikte in Wissenskonflikte transformiert und so einer Politik der alternativen Fakten Vorschub leistet, oder auf die narzisstische Kränkung individualisierter Subjekte, die zwischen einem sozialen Anspruch auf Wissenssouveränität und einer als wissenschaftlich abgesichert und alternativlos präsentierten staatlichen Interventionspolitik aufgespannt sind.

Empirische Analysen beschäftigen sich unter anderem mit sozialen Dimensionen wie Situationen, Szenen und Lebenswelten, in denen Proteste und/oder Skepsis entstehen; mit deren emotionalen und affektiven Dimensionen oder Formen der Vergemeinschaftung; sowie den Epistemologien und Wissensordnungen von Misstrauensgemeinschaften.

Mit diesem Call for Paper laden wir Beiträge ein, die theoretisch und/oder methodisch- methodologisch die Auseinandersetzung mit Wissenschaftsskepsis vorantreiben. Daher sind sowohl konzeptionelle als auch empirische Beiträge gefragt, die aus diskursiver, strukturelleroder handlungsorientierter Perspektive Wissenschaftsskepsis während der Pandemie und ihren Nachklang analysieren.

Wir wünschen uns Beiträge, die sich mit folgenden Themen/Fragen beschäftigen:

  • Wie hat sich die Wahrnehmung der Wissenschaft durch die Pandemie verändert?
  • Welche Entwicklungen führen zu Phänomenen, die als Wissenschaftsskepsis gerahmt werden?
  • Inwieweit ist Wissenschaftsskepsis ein analytisch tragfähiges Konzept? Ersetzt es bestehende Beschreibungen, erhellt oder verstellt es den Blick auf aktuelle Entwicklungen, die auch anders diskutiert werden (können)?
  • Inwieweit spiegeln sich in der möglichen Wissenschaftsskepsis die Epistemisierung des Politischen und damit Wert- und Wissenskonflikte?
  • Inwieweit prägt Wissenschaftsskepsis politische Aushandlungsprozesse? Welche machtpolitischen Kämpfe entstehen daraus?
  • In welchen Szenen, Lebenswelten und Milieus ist Wissenschaftsskepsis ggf. verortet?
  • Welches Potential hat Wissenschaftsskepsis für Vergemeinschaftungs- und Mobilisierungsprozesse?
  • Wie zeigt sich Wissenschaftsskepsis in konkreten Fällen wie der Einstellung, der Wahrnehmung und dem Handeln hinsichtlich z.B. des Klimawandels, des Körpers oder der Medizin?
  • Welche Impulse zu ›alternativen‹ Wissenschaften entstehen und inwieweit fordern diese gegenwärtige Formen des Wissens und der Bildung heraus oder ergänzen diese?

Wir laden dazu ein, erweiterte Abstracts (1.000-1.500 Wörter) als Vorschläge für Beiträge für das ÖZS-Sonderheft einzureichen. Die Beiträge können sich mit den formulierten Fragen beschäftigen, aber auch Beiträge zu nicht explizit angeführten Fragestellungen innerhalb des skizzierten Themenbereichs sind willkommen.

Wir freuen uns über Einreichungen per E-Mail an Arthur Buckenleib: arthur.buckenleib(at)unibas.ch, Antje Daniel:  antje.daniel(at)univie.ac.at, Michaela Pfadenhauer: michaela.pfadenhauer(at)univie.ac.at und Anna Schwenck: anna.schwenck(at)uni-siegen.de

  • Deadline für Abstracts: 1.4.2024
  • Rückmeldung über Annahme der Abstracts: 15.4.2024
  • Einreichung des Vollbeitrags: 30.8.2024
  • Abschluss Review-Prozess: 30.11.2024
  • Einreichung des überarbeiteten Beitrags: 15.01.2025

Die Einladung zur Einreichung eines Vollbeitrags stellt keine Garantie für die Veröffentlichung des endgültigen Beitrags in der ÖZS dar. Die Artikel unterliegen einem Peer-Review Prozess. Die Beiträge können in deutscher und englischer Sprache verfasst werden und die Verantwortung für das Lektorat oder Proofreading liegt bei den Autor*innen.