Aktuell

Digital(isiert)e Wirtschaft. Soziologische Perspektiven auf die Digitalisierung von Märkten, Organisationen, Arbeit und Gütern

Deadline: 06. Mai 2024

Die Ausbreitung digitaler Daten, Verfahren und Güter hat in Wirtschaft und Gesellschaft enorme Transformationen bewirkt und stellt für die Soziologie eine große Herausforderung dar. Gegenwärtig werfen vor allem veränderte Grundlagen und Formen der digital(isiert)en Wirtschaft neue Fragen und Perspektiven auf. Nicht nur kommt es mit der Nutzung digitaler Daten, der Institutionalisierung von Algorithmen und Plattformen oder dem Einsatz von Robotern zu neuen bzw. veränderten Koordinationsformen. Es zeichnen sich längst Umbrüche sowohl in der Struktur und Einbettung von Märkten als auch in Arbeit, Produktion und Konsum ab. Ein neues und wichtiges Themenfeld in diesem Kontext sind die sich ausbildenden Märkte für digitale Daten, Güter und Produktionsmittel. Die Sozialwissenschaften und insbesondere die Soziologie werden durch die im Zuge der Digitalisierung angestoßenen Transformationsprozesse vor die Aufgabe gestellt, vorhandene Ansätze und Werkzeuge kritisch daraufhin zu prüfen, welche Einsichten sie zur Beschreibung und Analyse dieser Transformationen zu leisten vermögen und welche neuen Zugänge und Perspektiven sie darauf aufbauend vorstellen und entwickeln können.

Die digital(isiert)e Wirtschaft zeigt einerseits massive Umbrüche in den etablierten Beziehungs-, Struktur- und Koordinationsformen. Andererseits ist sie auch von völlig neuen oder hybriden Koordinationsformen, Institutionen und Märkten wie z. B. Plattformen begleitet. Algorithmen stellen eine neuartige Form der Orientierung, Abstimmung und Bewertung in der Wirtschaft dar und übernehmen oder ergänzen klassische persönliche Entscheidungsweisen bzw. soziale Abstimmungsregeln und Prinzipien. Einige der bislang vorliegenden Studien verbinden damit eine verstärkte Standardisierung, Objektivierung und Rationalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft sowie eine Abwertung sozialer Prozesse. Andere Untersuchungen geben erste Hinweise darauf, dass sich durch digitale Daten und Techniken bestehende Ressourcen, Koordinationsweisen und Institutionen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik verändern. Ferner entstehen neue, die sich in Teilen mit den alten verbinden. Neben neuen Einsatzmöglichkeiten entstehen so auch neue kollektive und individuelle Handlungsweisen. Übergreifend zeichnet sich überdies die Ausbildung veränderter Konfliktfelder und Legitimationsbedürfnisse ab, welche sowohl in der Gesellschaft als auch in der Wirtschaft verhandelt werden müssen.

Von besonderem wirtschaftssoziologischem Interesse ist gegenwärtig, wie sich Koordinationsformen in der Wirtschaft verändern und welche Einbettung und Strukturierung Märkte für digitale Daten und Verfahren aufweisen bzw. wie sich Produktion und Vermarktung mittels von digitalen Verfahren ändern. Daran schließen sich Fragen nach den Anpassungsprozessen und der Neuausrichtung von Koordinationsweisen in der Wirtschaft an. Dies geht erwartbar mit neuen Anforderungen an die Anerkennung und die soziale Institutionalisierung von Märkten und anderen, komplexeren Koordinationsweisen wie Plattformen einher. Die Verwendung, Einbettung und institutionelle Ausgestaltung digitaler Daten undVerfahren und die damit einhergehenden Abstimmungsformen in der Wirtschaft stellen überdies das Verhältnis von Wirtschaft und Gesellschaft in Frage und thematisieren Transformationen, Umbrüche und Innovationen. Aus wirtschaftssoziologischer Sicht rückt so die soziale Strukturierung der digitalen Wirtschaft und ihrer Märkte sowie ihre institutionelle Ausgestaltung und die zugrundeliegenden gesellschaftlichen Entscheidungs-, Koordinations- und Kooperationsformen in den Mittelpunkt. Algorithmen, digitale Zwillinge oder Roboter werden zum Gegenstand wirtschaftssoziologischer Analysen.

Damit ist auch eine weitergehende gesellschafts- und sozialtheoretische Perspektive gefordert, die den Blick auf sich im Kontext von Digitalisierung verändernde oder sich neu ausbildende Institutionen, Koordinationsformen und Anerkennungsmodi in der Wirtschaft richtet. Das stellt die verschiedenen soziologischen Ansätze vor die Aufgabe, die Chancen und Grenzen einer theoretischen Konzeptionalisierung und empirischen Untersuchung der sozialen Formen und Effekte einer digital(isiert)en Wirtschaft zu erfassen und zu analysieren. Neue Themen und Anwendungsfelder wie etwa veränderte Handlungs- und Beziehungsformen, dominante Digitalisierungsstrategien privater Unternehmen oder Nationalstaaten sowie die Möglichkeiten und Potentiale digitaler Daten und Verfahren innerhalb alternativer Formen des Wirtschaftens wie den Commons werden so thematisierbar.

Es sind Beiträge eingeladen, welche

  • wirtschaftssoziologische und allgemeine soziologische Konzepte und Theorien in der Anwendung auf den vermehrten Einsatz und die Verbreitung digitaler Verfahren, Daten und Güter in der Wirtschaft prüfen;
  • die Bildung von Märkten für digitale Güter konzeptualisieren und/oder empirisch untersuchen und dabei alte und neue Einbettungsformen wie etwa Netzwerke, soziale Regeln und Konventionen thematisieren;
  • die Transformationsprozesse in der Arbeits-, Produktions- und Konsumwelt in Verbindung von analogen und digitalen Märkten behandeln;
  • die institutionellen Einbettungs- und Begründungsweisen von Märkten auf Basis digitaler Daten, Verfahren und Güter konzeptualisieren und/oder erforschen und dabei sowohl die Makro- als auch die Mesoebene in den Blick nehmen;
  • gesellschafts- und sozialtheoretische Perspektiven einnehmen, welche sozialen und gesellschaftlichen Trends und Effekten einer verstärkt digital(isiert)en Wirtschaft nachgehen;
  • verschiedene sozialwissenschaftliche Theorien, Perspektiven oder auch empirische Methodenverständnisse und Verfahren vergleichen und deren Stärken und Schwächen bei der Darstellung, Analyse und Erforschung digitaler Prozesse und Strukturen in der Wirtschaft aufzeigen.

Die Tagung bietet zudem Raum für kürzere Vorträge und Impulsreferate in Arbeitsgruppen. Ausdrücklich willkommen sind Beiträge aus geplanten und laufenden Projektvorhaben und von NachwuchswissenschaftlerInnen. Auf Antrag können für einige TeilnehmerInnen Zuschüsse zu den Reisekosten gewährt werden. Bitte geben Sie bei der Einreichung an, wenn Sie sich um einen solchen Zuschuss bewerben wollen. Wir planen eine Veröffentlichung ausgewählter Beiträge in einem peer-reviewed Sammelband im Jahr 2025. Die Konferenzsprache ist Deutsch, es sind jedoch auch englischsprachige Beiträge willkommen.

Bitte senden Sie Ihren Beitragsvorschlag im Umfang von ca. 1 bis 1½ Seiten unter Angabe Ihres Namens, des Beitragstitels und des präferierten Formats bis zum 6. Mai 2024 an wisoz(at)uni-trier.de. Für Rückfragen stehen wir Ihnen unter dieser Adresse sehr gerne zur Verfügung.

Kontakt:

Andrea Maurer, Clemens Schmidt, Leonie Mader (wisoz(at)uni-trier.de)
Weitere Informationen finden Sie auf der Tagungswebsite.