Wenn sich Care-Arbeiter:innen in neuen Basisgewerkschaften für würdevollere Arbeitsbedingungen und Pflegesettings zusammenschließen oder Aktivist:innen gegen Zwangsräumungen und für ein Recht auf Wohnen demonstrieren, dann zeigt dies im Sinne Butlers (2016), dass Vulnerabilität und politische Handlungsfähigkeit keine Gegensätze bilden müssen, sondern zusammenfallen können. Der Workshop spitzt diesen Nexus auf die Frage zu: Welche Formen von Kollektivität entstehen, wenn vulnerable Verhältnisse politisiert werden?
Der Fokus auf die Kollektive, die aus der Politisierung von Vulnerabilität hervorgehen, schlägt einen konzeptuellen Mittelweg ein. Feministischen (Butler 2016, Govrin 2022) und neomaterialistischen Impulsen (Barad 2012, Coole 2023) folgend, ist Vulnerabilität als ein sozialontologischer Fakt zu würdigen, die Gleichheit aller menschlicher Körper in ihrer Verletzbarkeit zu betonen. Dies gilt es mit dem Konstruktivismus zusammenzuführen, den die kritische Arbeits- und Migrationssoziologie oder die Disability Studies verfechten. Dort erweist sich Vulnerabilität (auch) als kontingente Kategorisierung, sie kann politisch verändert, zumindest dezentriert werden. Zwischen Fakt und Konstrukt – in dieser Spannung untersucht der Workshop, wie Kollektive aus Vulnerabilität entstehen und wie sie diese bearbeiten. Daran schließen viele Anschlussfragen an: Welche emanzipatorischen oder autoritären Beziehungsweisen von Kollektiven zu Vulnerabilität lassen sich rekonstruieren? Was definiert Empowerment, Agency oder Performativität, wenn sich Vulnerabilität niemals voll überwinden lässt? Und vice versa: In welchem Ausmaß wird Vulnerabilität durch politische Praktiken transformiert? Gewünscht sind empirische Vorschläge, die die Ergebnisse konkreter Fallstudien präsentieren, genauso wie solche, die der Trias Vulnerabilität-Politisches-Kollektivität sozialtheoretisch nachgehen. Besonders willkommen sind Beiträge, die Empirie und Theorie in einen fruchtbaren Dialog bringen.
Wir freuen uns über aussagekräfte Abstracts (max. 2.000 Zeichen) in deutscher oder englischer Sprache bis zum 5.1.2024 an Swantje Höft (hoft_swantje(at)phd.ceu.edu) und Conrad Lluis (conrad.lluis(at)uni-due.de).