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›Modell Deutschland - Lost in Transformation? Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik für eine nachhaltige Arbeitsgesellschaft‹

Deadline: 06. Dezember 2023

Die Gesellschaft und ihre Institutionen in Deutschland bewältigen aktuell große Veränderungen. Die demografische Entwicklung, Alterung und Arbeitskräftemangel, Zuwanderung und Integration, Klimaschutz und Erhalt von Biodiversität, Dekarbonisierung und Energiesicherheit, sachfremde und überbordende Bürokratie, die Entwicklung neuer Technologien, darunter die Digitalisierung sind große Herausforderungen. Diese Veränderungen werden häufig unter dem Begriff Transformation gefasst, weil angenommen wird, dass mit ihnen eine dauerhafte und grundlegende Neukonfiguration staatlicher und gesellschaftlicher Institutionen verbunden ist. Etablierte Prozesse gesellschaftlicher Integration und Teilhabe werden in Frage gestellt, die bislang durch sozialpartnerschaftliche Mitbestimmung, die Förderung von Qualifizierungsprozessen sowie strukturierter Erwerbsverläufe inklusive stabiler Einkommen gewährleistet waren. So ist es auch nicht überraschend, dass die Transformationsprozesse häufig mit Verunsicherung einhergehen.

Politische und wirtschaftliche Akteure stehen vor einer doppelten Herausforderung: Zum einen bestehen hohe Anforderungen an eine gleichzeitige wirtschafts- und sozialpolitische Gestaltung der Transformationsprozesse. Soziale, wirtschaftliche und ökologische Ziele und Maßnahmen sind in einer Weise abzuwägen, dass diese von der Bevölkerung als gerecht und effizient wahrgenommen werden. Zum anderen wird darum gerungen, wie eine transformierte Gesellschaft aussehen könnte, die das bisherige, stark industriell geprägte ›Modell Deutschland‹ ablöst.

Die Jahrestagung 2024 des SAMF adressiert vor diesem Hintergrund folgende Fragen.

Auf institutioneller Ebene ist zu klären:

  1. Welche Instrumente sind geeignet, die komplexen wirtschaftlichen und arbeitsmarktlichen Prozesse auf der lokalen oder nationalen Ebene zu gestalten? Welches sind günstige, welches ungünstige Bedingungen für die Durchsetzung zukunftsfähiger Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik?

  2. Unter welchen Prämissen sind unterschiedliche Strategien von Transformationspolitik, etwa ›globale Steuerung‹, umfängliche Wirtschaftshilfen, harte Auflagen, schwächere Anreize, eine Orientierung an ›Subsidiarität‹ oder lokale wirtschaftliche, ökologische, soziale und auch wis- senschaftliche Investitionsmöglichkeiten erfolgreich, und in welchem Verhältnis stehen diese Strategien zueinander?

  3. Welche Governance-Strukturen, bzw. welche Art von Kooperationsstrukturen tragen zu nachhaltigen Lösungen bei? Wer sind die Träger solcher Prozesse? Welche Bedeutung haben staatliche, politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Organisationen mit welchen Folgewirkungen? Welche Verfahren, wie etwa Parlamentsverfahren, Sozialpartnerschaft, Expertenberatung, regionale Transformationsbeiräte u. a. sind für welche Gestaltungsaufgaben geeignet? Gibt es regionale oder europäische Modelle, die beispielhaft für erfolgreiche Transformationsprozesse sind?

4. Wie verändern sich gesellschaftliche Machtverhältnisse? Sind kollektive Akteure, etwa Gewerkschaften, Betriebsräte, Arbeitgeberverbände, KMU und Großunternehmen, Verwaltun- gen und Einrichtungen des Bundes, NGOs, Sozialverbände, Wissenschaft aktuell in der Lage, sich an einer effektiven, effizienten und als gerecht empfundenen Gestaltung zu beteiligen? Welche Legitimität können einzelne Akteure beanspruchen? In welcher Weise wären einzelne Akteure ggf. zu ertüchtigen?

Auf der Ebene der Adressaten von Politik ist zu klären:

  1. Für welche Alters-, Qualifikations- oder Erwerbstätigengruppen verändern sich Arbeit und Arbeitsanforderungen im Zuge der wirtschaftlichen und ökologischen Transformation? Welche Gruppen sind schon jetzt besonders ökonomisch, sozial oder gesundheitlich in ihrem Lebensverlauf und ihren Lebensperspektiven betroffen? Inwiefern verschärft die Transformation gesellschaftliche Ungleichheiten?

  2. Sind Informationen und Qualifizierungsangebote hinreichend vorhanden, damit Menschen möglichst selbstbestimmt ihre Bildungs- Karriere-, Familienplanungen sowie auch Entschei- dungen etwa für Wohneigentum, Mobilität, Investitionen planvoll treffen können? Wie kann der Zugang zu Informationen zu Förder- und Unterstützungsprogrammen (für Erwerbspersonen und Unternehmen) verbessert werden? Wer ist verantwortlich?

  3. Welche Unsicherheiten bestehen in welchen Bevölkerungsgruppen bei wirtschafts-, sozial- und arbeitsmarktpolitischen Entscheidungen – und wie gehen diese in ihren Planungen oder auch in politischen Äußerungen mit (Un-)Sicherheit um? Was wissen wir dazu aus vergange- nen Transformationsprozessen?

  4. Werden die Belange der Unternehmen ausreichend berücksichtigt? Wie werden eine Überforderung durch Regulierung und bürokratische Anforderungen vermieden sowie effektive Anreize für innovative Veränderungen geschaffen? Inwiefern wird die Verantwortlichkeit der Wirtschaft bei der Gestaltung von Transformation angemessen eingefordert?

  5. Welche Formen der effektiven politischen Beteiligung und Mitbestimmung bestehen in Organisationen und im Rahmen der Entscheidungen zur Gestaltung von Transformationsprozessen? Welche Formen sind geeignet, die Interessen möglichst vieler Menschen und besonders auch bisher in politischen Prozessen unterrepräsentierter Gruppen zu vertreten?

Erwünscht sind Beiträge, die einen oder mehrere Fragen theoriegeleitet oder/und empirisch aus einer ökonomischen, soziologischen oder politikwissenschaftlichen Perspektive untersuchen. Wesentlich sind Erkenntnisse zu Möglichkeiten von Mitbestimmung oder Empfehlungen zur Gestaltung von Transformationsprozessen.

Bitte senden Sie aussagekräftige Vorschläge (max. 700 Worte) bis zum 06. Dezember 2023 an olaf.struck(at)uni-bamberg.de. Es ist geplant, die Vorträge thematisch zu bündeln und die Themenblöcke gemeinsam zu diskutieren. Bei Interesse wollen wir ausgewählte Beiträge in einem Schwerpunktheft in einer begutachteten Zeitschrift veröffentlichen.