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Soziale Arbeit in migrationsgesellschaftlichen Verhältnissen – Spannungsfelder und Entwicklungen

Deadline: 31. März 2024

Der Sozialen Arbeit1 kommt in der modernen funktional differenzierten Gesellschaft die zentrale Funktion zu, soziale Probleme und Konflikte im Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft zu bearbeiten (Kessl 2017 mit Bezug auf Hornstein 1995). Dabei findet sich nach wie vor – und aller Pluralisierungen und Transnationalisierungen zum Trotz – eine enge Kopplung Sozialer Arbeit an nationalstaatlich verfasste politische, rechtliche und soziale Rahmenbedingungen und mit ihnen einhergehende Normierungen. Dieser›methodologische Nationalismus‹der Sozialen Arbeit wird daran deutlich, dass sich die Seite der Gesellschaft in der Figur des›doppelten Mandats‹(vgl. dazu Thieme 2017) zuvorderst als nationalstaatliche Formation zeigt. Gleichzeitig bleibt Soziale Arbeit in ihren Praxisbezügen und Adressierungen dem Individuum verbunden, so dass es zur Individualisierung sozialer Problemlagen und Konflikte bei gleichzeitiger Bezugnahme auf nationalstaatliche und sozialpolitisch vermittelte Sicherheits- und Rechtsprämissen sowie Normierungen des sozialarbeiterischen Handelns kommt (vgl. Hamburger 2018b).

Dieses grundsätzliche Spannungsverhältnis Sozialer Arbeit möchten wir als Ausgangspunkt für diesen Call for Paper aufgreifen und auf (post-)migrationsgesellschaftliche Verhältnisse beziehen. Wir möchten den Diskursraum für theoretische und empirische Arbeiten öffnen, die sich mit Fragen nach dem spannungsreichen Verhältnis von Individuum und Migrationsgesellschaft im Kontext Sozialer Arbeit als Disziplin, Profession sowie in Handlungszusammenhängen aus- einandersetzen.

Erwünscht sind insbesondere Beiträge, die

  • sich dem Spannungsverhältnis zwischen dem universalistisch ausgerichteten normativen Selbstverständnis Sozialer Arbeit und den politischen, rechtlichen, ökonomischen und organisatorisch-institutionellen Restriktionen, unter denen Soziale Arbeit als organisierte Hilfe im nationalen Wohlfahrtsstaat erbracht werden kann (Bommes/Scherr 2012; Scherr 2021), widmen.
  • sich mit den Spannungsverhältnissen innerhalb von Praxiszusammenhängen vor dem Hintergrund struktureller, in das pädagogische Handeln und das professionelle Mandat Sozialer Arbeit eingelassener Antinomien und deren Ausrichtung an und Legitimation durch nationalstaatliche Rahmensetzungen beschäftigen (Prasad/Muckenfuss/Foitzik 2020).
  • das Verhältnis von wissenschaftlicher Wissensproduktion, professionellen Konzepten und Handlungszusammenhängen im Referenzhorizont›Migration und Flucht‹zueinander relationieren und jeweils immanente Logiken und die sich daraus etablierenden Spannungsverhältnisse herausarbeiten.
  • sich mit den Spezifika der sozialpolitischen Konstruktion sozialer Probleme (Groenemeyer 2012) und der Konstitution von Adressat*innen der Sozialen Arbeit (Bitzan/Bohlay 2016) unter migrationsgesellschaftlichen Bedingungen beschäftigen.
  • integrationspolitische Diskurse (vgl. etwa Scherr 2018) sowie Zugehörigkeitsregime in ihrer Bedeutung für Praxiszusammenhänge Sozialer Arbeit bearbeiten bzw. theoretisch das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft in diesen Kontexten analysieren.
  • sich (kritisch) mit den normativen und anwendungsbezogenen Anforderungen an Migrations- und Flüchtlingssozialarbeit aus der Perspektive der Reflexionsdisziplin(en) auseinandersetzen.
  • sich mit weitreichenden gesellschaftlichen und sozialpolitischen Transformationen, die unter den Stichworten›Neoliberalisierung‹und›Ökonomisierung‹diskutiert werden, auseinandersetzen und der Frage nachgehen, welche Verstrickungen Sozialer Arbeit im Kontext des Paradigmenwechsels vom›fürsorgenden‹Sozialstaat in einen aktivierenden Sozialstaat (Hartmann/Hünersdorf 2013) im Referenzhorizont›Migration und Flucht‹in Rechnung zu stellen sind.
  • aus einer Metaperspektive die Wissensproduktion in Theorie und Empirie zum Gegenstand machen und hierbei etwa der Frage nachgehen, welche Bedeutung der Analyse migrationsgesellschaftlicher Verhältnisse im Kontext der registrierten Aufmerksamkeitsverschiebung von Fragen der Theoriebildung hin zu einer›Empirisierung sozialpädagogischer Wissensproduktion‹(Neumann 2017, S. 81) zukommt.
  • der Frage nachgehen, welche (neuen) Beobachtungshorizonte durch interdisziplinär und international ausgerichtete migrationswissenschaftliche Analyseperspektiven für Theoriebildung und empirische Forschung (in) der Sozialen Arbeit im Themenkomplex›Migration und Flucht, Nationalstaatlichkeit und Rassismus‹eröffnet werden
  • sich mit institutionell verankerten Ungleichbehandlungen in und durch Organisationen der Sozialen Arbeit beschäftigen und Effekte und Mechanismen institutionellen Rassismus und institutioneller Diskriminierung empirisch untersuchen.
  • der Frage nachgehen, ob aktuelle Handlungskonzepte, die Konstruktion von Migration als Bezugsproblem in Studiengängen der Sozialen Arbeit/Sozialpädagogik sowie die professions- und disziplintheoretischen Diskurse und ihre methodologischen Zugänge in der Lage sind, die seit den 1980er Jahren breit formulierte Kritik an der Kulturalisierung gesellschaftlicher Verhältnisse und an der homogenisierenden und defizitorientierten Adressat*innenkonstruktion (etwa Hamburger 2018a) zu überwinden.

Wir freuen uns über Einreichungen zu diesen und weiteren, den Themenschwerpunkt behandelnden Fragestellungen.

Für die Einreichungen berücksichtigen Sie bitte das folgende Verfahren:

Die Auswahl der Beiträge erfolgt in einem zweistufigen, anonymisierten Begutachtungsverfahren: Wir bitten um die Einreichung von Exposés im Umfang von 1-2 Seiten bis zum 31. März 2024 unter register-zem.budrich-journals.de. Im Fall der Annahme des Exposés durch die Herausgeberinnen erfolgt bis 30.04.2024 die Einladung zur Beitragseinreichung. Die ausgearbeiteten Beiträge im Umfang von max. 45.000 Zeichen müssen bis zum 31. Oktober 2024 eingereicht werden, durchlaufen ein double-blind peer-review und werden bei Annahme 2/2025 publiziert.

Neben dem Themenschwerpunkt gibt es in jeder Ausgabe einen offenen Teil, in dem auch themenungebundene Beiträge veröffentlicht werden, die für die erziehungswissenschaftliche Migrationsforschung relevant sind. Der ständige Call für die themenungebundenen Beiträge ist auf der Webseite https://budrich.de/Zeitschriften/Call-for-Papers/ZeM-Call-for-Papers.pdf publiziert. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, sich im Rahmen eines ständigen CfP um eine Gastherausgabe zu bewerben: https://budrich.de/Zeitschriften/Call-for-Papers/ZeM-Call-forPapers-Gastherausgeberschaft.pdf.

Die Hinweise für Autor:innen sowie einen Leitfaden zur Online-Einreichung finden Sie auf https://www.budrich-journals.de/index.php/zem/pages/view/einreichungen.

Bitte wenden Sie sich mit Rückfragen an zem(at)budrich-journals.de.