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Identität und Interdisziplinarität
Monika Wohlrab-Sahr
Transitionen und Transition
Das Thema des 42. DGS-Kongresses ist bewusst im Plural formuliert. Gleichzeitig verweist vieles auf eine umfassendere Transition, eine Transition im Singular. Darin verdichtet sich Verschiedenes zur Wahrnehmung eines umfassenden Umbruchs, in dem die alten Eckpfeiler von Stabilität und Orientierung kollabieren.
The theme of the 42nd DGS-congress is deliberately formulated in the plural. At the same time, much points to a more comprehensive transition, a transition in the singular. Various aspects converge in this, contributing to the perception of a sweeping upheaval in which the old cornerstones of stability and orientation collapse.
Hier der Text zum Download.
Tilman Reitz
Gefährdete Wahrheiten
Der Beitrag fragt aus soziologischer Perspektive nach den äußeren und inneren Gefährdungen, denen (Sozial-)Wissenschaft gegenwärtig in Deutschland ausgesetzt ist. Als innere Probleme werden die anhaltend schwierige Situation von Wissenschaftler*innen diesseits der Professur und die teilweise schädlichen Wettbewerbe um Projektmittel und Publikationsmetriken diskutiert, als externe Gefahren die drohenden finanziellen Einschnitte angesichts stagnierender oder sinkender Studierendenzahlen und der Erfolg autoritärer politischer Kräfte, die Wissenschaft als Elitendiskurs angreifen. Zum Ende werden Gegenmaßnahmen in der Stellenpolitik und im politischen Selbstverständnis der Soziologie vorgeschlagen.
The contribution discusses external and internal threats to the (social) sciences in Germany from a sociological perspective. Internally, the continuing difficulties of early career researchers as well as the partly destructive competition for project funding and citations metrics are analysed as main problems for serious research. Externally, the financial cuts reacting to stagnating or declining student numbers are juxtaposed with an autoritarian anti-elitism directed against science as such. The contribution closes with proposals for a more sustainable employment strategy and a renewed political self-understanding of sociology.
Joachim Renn
Autorität und Distanz
Eine soziologische Selbst-Beobachtung, die soziologische Aufklärung zu einer kontextgebundenen Praktik unter anderen erklärt, untergräbt die epistemische Autorität, der sie ironischerweise ihr Mandat verdankt. Denn entscheidend für die Autorität einer Wissenschaft ist die Unterbrechung der epistemischen Interdependenz einer spezialisierten Kommunikationsweise von anderen gesellschaftlichen Relevanzen und Vokabularen. Diese Unterbrechung verschafft der Wahrheitsorientierung empirisch eine institutionelle Heimstätte, die eine gegenüber praktischen Zwecken rücksichtslose, regulative Idee darstellt. Die Soziologie unterminiert jedoch gegenwärtig in weiten Teilen die für sie konstitutive Differenzierung und befördert die anderweitig betriebene Schwächung ihrer epistemischen Autorität, wo sie auf die Krisis einer Disziplin, die nicht Natur erforscht, sondern ausdifferenzierter Teil gesellschaftlicher Selbstverständigung ist, mit geltungsindifferenter Dekompensation reagiert.
A sociological self-observation that declares sociological enlightenment to be one context-bound practice among others undermines the epistemic authority to which it ironically owes its mandate. For what is decisive for the authority of a science is the interruption of the epistemic interdependence of a specialized mode of communication from other social relevancies and vocabularies. This interruption empirically provides the orientation toward truth with an institutional home, which represents a regulative idea that is ruthless in its pursuit of practical purposes. However, sociology is currently undermining much of the differentiation that is constitutive for it and promoting the weakening of its epistemic authority elsewhere, where it responds to the crisis of a discipline that does not explore nature but is a differentiated part of social self-understanding with decompensation that is indifferent to validity.
Forschen, Lehren, Lernen
Rainer Paris
Kampf um Liegestühle
Der Beitrag diskutiert das bekannte Liegestuhl-Beispiel in Heinrich Popitz’ ›Prozesse der Machtbildung‹ unter Aspekten der Lehre und weiterer Fragestellungen. Im Vordergrund steht dabei die empirische Ambiguität der Situation hinsichtlich verdeckter Konflikte von Normen und fließender Übergänge der Abweichung. Es zeigt sich, dass das Beispiel unbeschadet der von Popitz herausgearbeiteten Gesetzmäßigkeiten von Privilegierung und Legitimierung auch für weitere soziologische Anschlussfragen und Analyseperspektiven geeignet ist, die vor allem in Lehrveranstaltungen fruchtbar eingesetzt werden können.
The article discusses the well-known deckchair example in Heinrich Popitz’ ›Prozesse der Machtbildung‹ from the perspective of doctrine and other issues. The focus is on the empirical ambiguity of the situation with regard to hidden conflicts of norms and fluid transitions of deviation. It is shown that the example is also suitable for further sociological follow-up questions and analytical perspectives, which can be used fruitfully in courses in particular, irrespective of the laws of privilege and legitimisation worked out by Popitz.
Wolfang Glatzer
Ein Jahrhundert Untersuchungen zur ›Lebensqualität‹
Lebensqualität ist ein vielseitiger Begriff, der weltweit im Feld wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Aktivitäten zur Bezeichnung der individuellen und gesellschaftlichen Lebensverhältnisse verwendet wird. Die Idee entstand vor etwa hundert Jahren, und Konzepte zu ihrer Messung lagen bereits damals auf dem Tisch. Es dauerte viele Jahre, bis die Forschung zur Lebensqualität im Kontext der Sozialindikatorenbewegung und der gesellschaftlichen Zieldiskussion weiterentwickelt wurde. Mitte der 1990er Jahre war die Zeit offensichtlich reif, um dauerhaft Organisationen für Studien und Forschung zur Lebensqualität zu etablieren: ISOQOL und ISQOLS wurden gegründet und entwickelten sich zu Zentren für die Steuerung der Lebensqualitätsforschung. In der Folgezeit fand die Idee Eingang in alle Lebensbereiche, so in Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Klimawandel, Werbung und gesellschaftliche Debatten aller Art. Derzeit ist Lebensqualität ein kritisches, vielseitiges und nicht-militantes Konzept zur Definition und Bewertung des sozialen Fortschritts im Hinblick auf die Entwicklung der Menschheit und ihrer Individuen.
Quality of life is a multifaceted term used worldwide in scientific and social activities to describe individual and social living conditions. The idea originated about a hundred years ago, and concepts for measuring it were already on the table at that time. It took many years for research on quality of life to develop further in the context of the social indicators movement and the discussion of societal goals. In the mid-1990s, the time was clearly ripe to establish permanent organisations for studies and research on quality of life: ISOQOL and ISQOLS were founded and developed into centres for the management of quality of life research. In the following years, the idea found its way into all areas of life, including science, politics, economics, climate change, advertising and social debates of all kinds. Today, quality of life is a critical, multifaceted and non-militant concept for defining and evaluating social progress in terms of the development of humanity and its individuals.
DGS-Nachrichten
- Zukünfte der Gesellschaft. 43. DGS-Kongress 2026 in Mainz
- Call zu den Plenarveranstaltungen
- Informationen zur Ausrichtung einer Ad-hoc-Gruppe
- Ausschreibung der zu verleihenden Preise
- Termine
- Aus der Vorstandsarbeit
- Preise der DGS für herausragende Abschlussarbeiten
- Elena Erstling
Nicht-Binarität als Kategorie ›in the making‹
- Elena Erstling
Im Mittelpunkt der diesem Artikel zugrunde liegenden Masterarbeit steht Nicht-Binarität als geschlechtliche Personenkategorie. Dazu verbinde ich kategorisierungstheoretische Ansätze mit Gesa Lindemanns leibphänomenologischer Konzeption von Geschlecht und Transsexualität. Anhand von Interviews mit und Tagebüchern von Personen, die sich im Prozess eines Geschlechtswandels befinden, rekonstruiere ich, dass es sich um einen historisch jungen Möglichkeitsraum geschlechtlichen Erlebens handelt.
The article draws on my master‹s thesis and focuses on non-binary, understood here as a ›category of persons‹. The theoretical framework consists of Gesa Lindemann’s embodied phenomenology and insights from categorization theory. Based on the analysis of narrative interviews and diaries written by individuals who are in the process of transitioning I argue that non-binary is a historically recent sphere of possible gendered experience.
- Veränderungen in der Mitgliedschaft
Berichte aus den Sektionen
- Sektion Religionssoziologie
- Sektion Soziale Probleme – Soziale Kontrolle und
Sektion Migration und ethnische Minderheiten
Nachrichten aus der Soziologie
- Mona Motakef, Ann-Kathrin Schierok, Finja Tschampel, Birgit Zeyer-Gliozzo, Christian Deindl
Wo wir stehen. Die Gründungsfeier des Instituts für Soziologie an der TU Dortmund - Stefan Böckler, Rainer Greshoff, Klaus Lichtblau, Janosch Schobin, Thomas Schwietring / Hartmut Esser
In memoriam Johannes Weiß - John Keane
In memoriam Claus Offe - Gabriele Klein, Annette Treibel
In memoriam Hermann-Anders Korte - Habilitationen
- Tagungen
- Grenzsoziologie revisited
- Integrity, Solidarity, and Unity: Hopes and Realities of the European Future