Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) unterstützt die Forderung der bundesweiten Vernetzung studentischer Beschäftigter TV-Stud für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen studentischer Beschäftigter an Hochschulen und Forschungseinrichtungen. [1]
Die 22. Sozialerhebung der Studierenden des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (2021) hat erst jüngst wieder ergeben, dass 63 Prozent der Studierenden ihr Studium mit Nebenjobs finanzieren. [2] Die Frage guter Arbeitsbedingungen ist daher auch im Kontext von Studium und Hochschule unmittelbar relevant.
Zu Beginn des Jahres hat die Studie Jung, akademisch, prekär des Instituts für Arbeit und Wirtschaft in Kooperation mit ver.di und GEW [3] gezeigt, dass der öffentliche Dienst der ›größte Arbeitgeber für Studierende‹ in Deutschland ist. Im Jahr 2017 etwa gingen ›31 Prozent der erwerbstätigen Studierenden einer Tätigkeit als studentische/wissenschaftliche Hilfskraft‹ nach. Zugleich wird deutlich, wie stark die Beschäftigtengruppe der Studierenden – und zwar gerade solche, die im öffentlichen Dienst arbeiten – prekarisiert wird. Das hohe Maß an Informalität, durch das sich das Arbeitsverhältnis zwischen den studentischen Beschäftigten und Arbeitgeber häufig auszeichnet, erschwert die Wahrnehmung und Einhaltung von Arbeitnehmerrechten (Urlaubsanspruch, Arbeitszeiten, Überstunden etc.). Kritisiert werden zudem die geringen Entgelte für studentische Beschäftigte, auch im Blick auf die häufige Legitimation einer solch niedrigen Entlohnung (es handele sich um Qualifikationsstellen für die Wissenschaft und insgesamt um eine ›andere‹ Form von Arbeit). Fragwürdig ist die Entgeltpraxis auch im Blick auf die mit der geringen Bezahlung einhergehenden Schwierigkeiten von Studierenden aus nicht- akademischen und ökonomisch benachteiligten Elternhäusern. Weitere Ergebnisse der Studie sind, dass die Beschäftigungen an den Hochschulen in der Bundesrepublik im Durchschnitt eine Vertragsdauer von 5,7 Monaten haben (mit der signifikanten Ausnahme der Berliner Hochschulen von 14,1 Monaten). Dabei sind auch Laufzeiten von ein bis zwei Monaten keine Seltenheit. Oft werden die Beschäftigungen aufgrund des damit verbundenen Verwaltungsaufwands bereits ohne Vertrag und Bezahlung aufgenommen. Dies ist vor allem auch deswegen problematisch, weil entsprechende Tätigkeiten entgegen verbreiteter Annahmen von einem großen Teil der studentisch Beschäftigten (knapp 89 Prozent) explizit zur Finanzierung des Lebensunterhalts aufgenommen werden.
Die studentische Beschäftigung an den Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen stellt einen wichtigen Einstieg in die Wissenschaft als Beruf dar. Rund drei Viertel der späteren Doktorand:innen waren 2009 vor ihrer Promotion als studentische Beschäftigte angestellt. [4] Die Sicherung guter Wissenschaft und Lehre fängt bereits hier an.
Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie als eine der großen wissenschaftlichen Fachverbände tritt auch vor diesem Hintergrund für die Verbesserung der Lage der studentischen Beschäftigten an den Hochschulen ein – u.a. auch im Blick auf Studierende aus nicht-akademischen Haushalten bzw. aus sozialstrukturell benachteiligten Verhältnissen. Vor diesem Hintergrund unterstützt die DGS die bundesweite TVStud-Bewegung in deren Ziel, in den im Herbst 2023 anstehenden Tarifverhandlungen des Öffentlichen Dienstes der Länder einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte an den Hochschulen – auch außerhalb Berlins, wo ein solcher Vertrag seit 2018 gilt – abzuschließen.
Im Einzelnen unterstützen wir:
- die Forderung nach einer Kopplung der Entgelte mindestens an das gesetzliche Mindesteinkommen (wie im Berliner Modell, derzeit ca. 12,50 Euro/h), mit Angleichung an die Erhöhungen des Mindesteinkommens;
- die Forderung von Mindestvertragslaufzeiten von 2 Semestern, wenn keine Sachgründe dagegen sprechen
- die Forderung, klare und einheitliche Regelungen zur Arbeitszeiterfassung, zu Zuschlägen für Nacht- und Feiertagsarbeit, Überstunden, Urlaubsanspruch, Sonderurlaub, Kündigungsfristen und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu formulieren und einzuhalten und keine studentische Beschäftigung unbezahlt und ohne schriftlichen Vertrag zu tolerieren;
- die Forderung nach studentischer Repräsentation im Rahmen gesetzlicher Mitbestimmung auf Betriebsebene
Mit dieser Stellungnahme fordert die DGS auch ihre eigenen Mitglieder auf, für faire Arbeitsbedingungen ihrer studentisch Beschäftigten zu sorgen.
Den Referentenentwurf zur Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes vom März 2023 würdigt die DGS an dieser Stelle ausdrücklich als Verbesserung der Beschäftigungsverhältnisse studierender Beschäftigter gegenüber dem aktuell geltenden Gesetz. Der Entwurf sieht eine Erhöhung der maximalen Beschäftigungsdauer von 6 auf 8 Jahre sowie eine Mindestvertragsdauer von 1 Jahr vor, die in begründeten Ausnahmefällen – unter anderem auf Wunsch der Studierenden – auch unterschritten werden kann.
-----------------
[1] https://tvstud.de/
[2] Kroher, Martina/ Beuße, Mareike/ Isleib, Sören/ Becker, Karsten/, Ehrhardt, Marie- Christin/ Gerdes, Frederike/ Koopmann, Jonas/ Schommer, Theresa/ Schwabe, Ulrike/ Steinkühler, Julia/ Völk, Daniel/ Peter, Frauke/ Buchholz, Sandra (2023): Die Studierendenbefragung in Deutschland: 22. Sozialerhebung. Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2021. Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung. [Online Zugriff: https://www.dzhw.eu/pdf/ab_20/Soz22_Hauptbericht.pdf]
[3] Hopp, Marvin/ Hoffmann, Ann-Kathrin/ Zielke, Aaron/ Leslie, Lukas/ Seeliger, Martin (2023): Jung, akademisch, prekär. Studentische Beschäftigte an Hochschulen und Forschungseinrichtungen: eine Ausnahme vom dualen System regulierter Arbeitsbeziehungen. Bremen: iaw. [Online Zugriff: https://www.iaw.uni-bremen.de/f/a515fbddae.pdf]
[4] Lenger, Alexander (2009): Ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital von Promovierenden. Eine deskriptive Analyse der sozialen Herkunft von Doktoranden im deutschen Bildungswesen. In: die hochschule. journal fur wissenschaft und bildung, Nr. 2, S. 104– 125.Lenger 2009: 121f.