Aktuell

Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Soziologie zur Einführung gestufter Studiengänge

Beschluss des Vorstandes vom 01.07.2002

In der Einführung gestufter Studiengänge (B.A./M.A./Promotion) sieht die Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) eine Chance, deutsche Studienangebote einerseits international attraktiver zu machen und andererseits den Übergang deutscher Absolventen in Hochschulsysteme anderer Länder zu erleichtern. Diese Zielsetzung einer Internationalisierung des Studiums war auch leitend für die ›Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Einführung neuer Studienstrukturen und -abschlüsse‹ vom 21.1.2002 (Drs. 4418/00) sowie für die Beschlüsse der deutschen Kultusministerkonferenz (KMK) vom 5.3.1999 und vom 14.12.2001. 

Die DGS stimmt deshalb dem Projekt gestufter Studiengänge im Prinzip zu. Allerdings gibt sie zu bedenken, dass deren Einführung von weiteren (und nicht immer miteinander harmonisierbaren) Zielsetzungen geleitetet ist, beispielsweise geht es auch um die Verkürzung der Studienzeiten, die man zum Erwerb eines ersten berufsqualifizierenden Hochschulabschlusses braucht. Zudem können über die Anforderungen des Arbeitsmarktes und die Akzeptanz von B.A.-Absolventinnen und -Absolventen in Deutschland noch keine Erfahrungen vorliegen; auch ignorieren die Verweise auf Bachelor- und Master-Abschlüsse an britischen und US-amerikanischen Hochschulen häufig die Unterschiede der Ausbildungssysteme und der einzelnen Studiengänge. 

Gleichwohl ist eine Grundstruktur der neuen Studiengänge zu erkennen: B.A.-Studiengänge sollen vor allem der Vermittlung von grundlegendem Fachwissen, Methodenkompetenz und Schlüsselqualifikationen dienen. Darauf aufbauend sollen die M.A.-Studienangebote (gem. § 19 HRG) entweder spezifisch anwendungsbezogen oder – vor allem auch zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses – theorie- und forschungsorientiert bzw. interdisziplinär ausgerichtet sein. Daran schließt sich die Möglichkeit eines Promotionsstudiums an. 

Bei der Umsetzung dieser neuen Studienstrukturen sollten allerdings die folgenden Überlegungen berücksichtigt werden: 

  • Mit Entschiedenheit fordert die DGS, daß der Abschluß ›Diplom-Soziologin/Diplom-Soziologe‹ erhalten bleibt. Der Titel soll künftig entweder nach einem traditionellen Diplomstudiengang vergeben werden oder nach dem erfolgreichen Abschluß sowohl eines B.A.- als auch eines M.A.-Studienganges für Soziologie (also nicht nach Absolvierung spezialisierter gestufter Studiengänge). 
  • Die DGS fordert nachdrücklich, von einer Zwangsumstellung aller bisherigen Studiengänge auf das B.A./M.A.-System abzusehen. Sie empfiehlt stattdessen, es den einzelnen Hochschulen und Fächern zu überlassen, diese neuen Studienstrukturen entweder anstelle bisheriger Magisterstudiengänge (gem. § 18 HRG) einzuführen oder das traditionelle Angebot durch sie zu ergänzen. Für die hier empfohlene Vielfalt unterschiedlicher Studienstrukturen spricht die seit der Einführung des soziologischen Diplomstudiums in den 1970er Jahren gemachte Erfahrung, dass es sinnvoll ist, diesen an einer Professionalisierung orientierten Studienabschluss durch andere Studienangebote zu ergänzen, in denen durch ein Nebenfachstudium die Aneignung von Wissensbeständen anderer Disziplinen gestärkt wird. 
  • Absolventenstudien belegen für den Bereich der Soziologie deutlich, daß sich angesichts der Varianz beruflicher Positionen die Verschiedenartigkeit von Studienabschlüssen für den Übergang in eine Berufstätigkeit als günstig erweist (beispielsweise das Diplom eher im Bereich der angewandten Sozialforschung, der Magister Artium eher im Kulturbereich). Dies entspricht auch den Empfehlungen und Erfahrungen des Berufsverbandes Deutscher Soziologen e.V. (BDS). 
  • Die DGS unterstützt für alle Formen grundständiger Studiengänge eine Modularisierung, durch welche die Studienleistungen national und international besser vergleichbar würden. Dabei sollte das allein auf den quantitativen Aufwand bezogene European Credit Transfer System (ECTS) zu einem einheitlichen Leistungspunkt-System weiterentwickelt werden, in dem auch die jeweiligen Benotungen zum Ausdruck kommen. 

Wenn es sich bei den neuen Studiengängen nicht nur um eine Umetikettierung bestehender Angebote handeln soll, sondern tatsächlich innovative neue Studienstrukturen eingeführt werden sollen, dann kann das nicht ›kostenneutral‹ sein. Die Einführung gestufter Studiengänge erfordert spezielle Zusatzangebote, vor allem im Bereich der Vermittlung von Schlüsselqualifikationen sowie eine professionalisierte Praktikumsvermittlung und -auswertung. Diese neuen Aufgaben machen zusätzliche personelle und sachliche Ressourcen unabdingbar.