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Stellungnahme des Vorstandes zur Novellierung des Hochschulrahmengesetzes

Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) sieht gravierende Mängel in der Novelle zum HRG. Schwierig und kontraproduktiv sind vor allem die Anrechnungsregeln der 12-Jahres-Befristung für eine Qualifizierung in der Hochschule und die einseitige Heraushebung der Juniorprofessuren, ohne dass die strukturellen Bedingungen dafür geben wären. Auch die fehlenden Lösungen für den Übergang in Professuren nach der Qualifizierungsphase sowie das Fehlen von Übergangslösungen für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind nicht haltbar und müssen nachgebessert werden. 

Vor allem übersieht die HRG-Novelle, dass ein großer Anteil der Forschungstätigkeiten an den Hochschulen nicht der Förderung des Hochschullehrernachwuchses dient und daher andere arbeitsrechtliche Absicherungen braucht. Die HRG-Novelle unterstellt ferner eine stetige Nachfrage nach Professorinnen und Professoren und verhindert durch ihre Vorgaben den flexiblen Ausgleich zwischen dem Angebot an Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern und der Nachfrage nach hochschulnahen Forschern und Hochschullehrern. 

Ausgangssituation in den Sozialwissenschaften 

Das HRG setzt an Vorstellungen über Strukturen an, die in den sozialwissenschaftlichen Fächern nicht gegeben sind. Hier erfolgt die Qualifikation des wissenschaftlichen Nachwuchses über Universitätsstellen, drittmittelgeförderte Stellen und Stipendien. Strukturierte Promotionsangebote stehen nur etwa 10% des wissenschaftlichen Nachwuchses zur Verfügung. Um zu promovieren, bleibt jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern somit nichts anderes übrig, als zunächst teilzeitige, später vollzeitige Stellen in befristeten Forschungsprojekten zu übernehmen, die von Hochschulstellen teils abgelöst, teils unterbrochen werden. Auch die Tätigkeiten nach der Promotion sind nur zu einem kleinen Teil durch Hochschulstellen abgesichert. Da zudem vakante Professuren nicht immer zur Verfügung stehen sind auch arbeitslebenslange Projektkarrieren keineswegs ungewöhnlich, zumal solche Personen auch für die Kontinuität von Forschungszusammenhängen überaus wichtig sind. 

12-Jahresregel für Qualifizierungen nach dem novellierten HRG 

Die Anrechnung aller Tätigkeiten an Hochschulen (mit Ausnahme von Auslandsaufenthalten) auf die 12-jährige Befristung ist für die Sozialwissenschaften realitätsfremd. Die DGS fordert daher, dass mit der rechtlich unbegründbaren Praxis gebrochen wird, etwa durch die DFG oder die Volkswagenstiftung drittmittelfinanzierte Forschungstätigkeiten auf die 12 Jahre anzurechnen. Begrenzungen solcher Verträge durch das HRG sind unnötig, weil die jeweiligen Bewilligungszeiten immer begrenzt sind. Das Problem des ›Kettenvertrages‹ kann also nicht entstehen. (Das gilt auch für Verbundprojekte wie Sonderforschungsbereiche oder Forschergruppen der DFG). 

Darüber hinaus dienen diese Tätigkeiten vor allem der Forschung und sprengen nicht selten den engen zeitlichen Rahmen, der für die Qualifizierungsphase vom Gesetzgeber vorgesehen ist. Auch Tätigkeiten als wissenschaftliche Hilfskraft, die sich oft in Dienstleistungen für die Universität erschöpfen (Lehre und Verwaltung) und zur eigenen Qualifizierung kaum genutzt werden können, dürfen hierbei nicht angerechnet werden. Die DGS fordert darüber hinaus, dass nach der Qualifizierungsphase das allgemeine Arbeitsrecht voll zur Geltung kommt, und gemäß dem Teilzeit- und Befristungsrecht befristete Arbeitsverhältnisse ermöglicht werden. 

Übergänge in die Professur 

In den Sozialwissenschaften soll auf die Vielfalt der Wege zu einer Professur nicht verzichtet werden. Die Habilitation kann bestehen bleiben, zumal die Juniorprofessur aufgrund ihrer Anlage nicht flächendeckend umgesetzt werden wird. Deren rigider zeitlicher Rahmen bei gleichzeitig hohen Anforderungen an Lehre, Selbstverwaltung, Drittmittelbeschaffung und exzellenter Forschung in Kombination mit der mangelhaften Ausstattung behindern qualitativ hohe Arbeit und erschweren bestimmten Personengruppen den Weg in die Wissenschaft. Exzellenz kann unter diesen Umständen kaum entstehen - die Reform verfehlt eines ihrer wichtigsten Ziele. Ein weiteres Ziel, die Planungssicherheit, kann weitgehend über tenure tracks hergestellt werden. Die DGS tritt dafür ein, die entsprechenden Möglichkeiten unbedingt umzusetzen, und zwar nicht zu Lasten der bestehenden und frei auszuschreibenden Professuren, da dies in Kürze zu einem klientelistischen Hausberufungssystem unter weitgehender Schließung der freien wissenschaftlichen Konkurrenz führen müsste. 

Andere berufliche Wege nach der Qualifizierung 

Sozialwissenschaftliche Forschung wird an Hochschulen, in Instituten an Hochschulen und in freier Trägerschaft durchgeführt. Eine berufliche Tätigkeit muss für hochqualifizierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in all diesen Bereichen möglich sein. Die durch das TzBfG ermöglichte Arbeit in befristeten Arbeitsverhältnissen sollte für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter daher ohne Beschränkung zugänglich sein. Die derzeit rigiden BAT-Regelungen müssen deshalb zurückgenommen und auf einen möglichst freien Umgang mit dem Instrument des befristeten Arbeitsvertrages hin verändert werden. 

Übergangsregeln 

Neben diesen grundsätzlichen Verbesserungen fordert die DGS nachdrücklich Übergangsfristen. Neue gesetzliche Vorgaben dürfen nur für solche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gelten, die mit dem Inkrafttreten des Gesetzes nach dem Studienabschluss neu in die Qualifizierungsphase eintreten. 

Deutsche Gesellschaft für Soziologie 
Vorsitzende Prof. Jutta Allmendinger, PhD 
Ludwig-Maximilians-Universität München 
Geschäftsstelle 
Konradstr. 6 
80801 München 
www.soziologie.de