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Von Gegenwartsanalysen zum Futuring. Interdisziplinärer Workshop über Methoden der zukunftsorientierten Generierung von Praxis und Wissen

Deadline: 28. Februar 2026

Zunehmend lässt sich in der Medien-, Sozial- und Kommunikationsforschung ein Interesse an Verfahren des Futuring und der Entwicklung zukunftsorientierter Szenarien ausmachen. So werden beispielsweise in der Aneignungs- und Nutzungsforschung Szenarien zukünftiger Mediennutzung entwickelt, um technologieinhärente›fictional imaginaries‹(Ytre-Arne, Amaral, Chimirri, & Vicente-Marino, 2018: 248) zu erfassen. In den Science and Technology Studies dienen Szenariomethoden hingegen dazu, alternative Zukunftsentwürfe einer kritischen Analyse zugänglich zu machen (Macgilchrist et al., 2023; Oomen et al., 2022). Und auch in der ethnografischen Medienforschung werden Fragen nach dem methodischen Stellenwert von Entwicklungsszenarien und Zukunftsentwürfen gestellt (Pink, Berg, Lupton, & Ruckenstein, 2022).

Betrachtet man die bisherige Diskussion um solche Methoden der Forschung mit oder der Erforschung von Szenarien und einem damit verbundenen›futuring‹(Oomen et al., 2022: 252), so erscheint diese Diskussion vergleichsweise limitiert. Dies trifft insbesondere dort zu, wo Ergebnisse prognostisch interpretiert werden. Aber auch dann, wenn das interventionistische Moment von Szenariomethoden betont und so an die Idee der Zukunftswerkstätten angeknüpft wird, bleibt der Blick vergleichsweise eng: Eine weitergehende Auseinandersetzung darüber, mit welchen Formen der zukunftsorientierten Generierung von Praxis und Wissen man es hier zu tun hat, findet kaum statt.

Wie für Handlungsentwürfe generell (Schütz & Luckmann, 2003 [1973]), so gilt auch für elaboriertere Formen und Methoden des Futuring und der Szenarioforschung, dass die Strukturen des Wahrscheinlichen und die Grenzen des Möglichen vor dem Hintergrund gesellschaftlich verfügbaren Wissens bestimmt und zu mehr oder minder kohärenten Zukunftsentwürfen vermittelt werden (müssen). Daraus, wie das Denken im modo futuri exacti und im modo potentali zueinander in Beziehung gesetzt wird, wie Möglichkeiten gewichtet und welche Wissensvorräte von wem in welchen institutionellen Rollen zurate gezogen werden, bestimmt sich der spezifische Entwurfs-, Rationalitäts- und Geltungscharakter jeweiliger Zukunftsentwürfe.

Zukunftsentwürfe sind also zugleich immer auch Darstellungen des Gegenwärtigen im Lichte des Zukünftigen. Daher ist nicht zuletzt auch nach der kommunikativen und strategischen Nutzung oder Instrumentalisierung professionell erzeugter Zukunftsentwürfe in sozioökonomischen und gesellschaftspolitischen Entscheidungssituationen zu fragen.

Das Ziel des Workshops ist es, sich vor diesem Hintergrund reflexiv und kritisch mit Methoden des Futuring und der Szenarioforschung auseinanderzusetzen (exempl. Schulz-Schaeffer, Seibt, & Windeler, 2023). Ausgangspunkt dafür ist die Annahme, dass diese Methoden auf zumindest drei Skalierungsebenen der Zukunftsgenerierung dienen: erstens der Ebene der individuellen sozialen Praxis, also der Handlungsprojektion im Sinne von Schütz (Schütz, 1962); zweitens der Ebene der Herstellung von geteilten Visionen, ob die von Unternehmen oder Gemeinschaften (Hepp, 2025; Hilgartner, 2015); und drittens der Ebene der Herstellung von gesellschaftsübergreifend geteilten›Imaginaries‹(Jasanoff & Kim, 2009; Taylor, 2004). Dabei sind diese drei Skalierungsebenen in einer dynamischen Beziehung zu sehen.

Im Rahmen des Workshops wollen wir uns damit befassen, wie durch Szenario- und Futuring-Methoden unterschiedliche Projektionen, Visionen und Imaginaries hergestellt werden und welchen Stellenwert dies für Praxis und Wissen hat. Beiträge für den Workshop können sowohl historischer bzw. theoretischer Natur sein, bspw. indem sie entsprechende Methoden als›Zukunftskonstruktionen ersten Grades‹(vgl. Schütz 1971) rekonstruieren oder indem sie die Entwicklung solcher Methoden und die Spezifik ihrer Wissensproduktion untersuchen. Beiträge können und sollen aber auch sehr konkret methodisch orientiert sein, indem sie sich mit der Anwendung einzelner Methoden des Futuring und der Szenarioforschung befassen. Dabei denken wir beispielsweise an folgende Themen:

(1) Fallbeispiele der Futuring

• Fallbeispiele und -analysen der Entwicklung von Szenarioforschung und Futuring

• Differenzierung unterschiedlicher Formen der Szenarioforschung und des Futuring

(2) Anwendungskontexte, Institutionalisierung und Professionalisierung des Futuring

• Anwendungskontexte solcher Methoden bspw. im Silicon Valley oder in bestimmten

Arten von Organisationen und Gemeinschaften

• Institutionalisierung und Professionalisierung entsprechender Methoden

• Sozioökonomische und/oder gesellschaftspolitische Instrumentalisierung von Metho-

den des Futuring und der Szenarioforschung bzw. von Zukunftsvorstellungen

(3) Artikulations- und Verbreitungsformen des Futuring

• Nutzung bildhaft-figurativer oder anderer Formen der Artikulation in jeweiligen Formen

der Szenarioforschung und des Futuring (z.B. spekulatives Design, Spiele).

• Formung und gesellschaftliche Verbreitung von Zukunftsvorstellungen durch entspre-

chende Methoden und deren kommunikativen Gebrauch

(4) Wissenschaftliche Fundierung und Kritik des Futuring

• Vorstellung sozialwissenschaftlicher Studien, die auf genannten Methoden basieren

• Nutzung von Szenarien und Szenariomethoden in der experimentellen Sozialforschung

Abstracts bzw. Vorschlägen für Vorträge im Umfang von max. 500 Worten (inkl. Literatur) können als PDF bis 28.2.2026 unter der Mailadresse futuring(at)uni-bremen.de eingereicht werden. Wir bitten darum, die Einreichung mit einem Titelblatt inkl. Namen und Kontaktdaten zu versehen; das eigentliche Abstract sollte anonymisiert sein.

Organisation: Andreas Hepp (Bremen) und Michael R. Müller (Chemnitz)