Stellungnahmen

Forschungsethik muss den Gegenständen adäquat sein! Stellungnahme der Ethikkommission DGS/BSiD zur Position des AKEK

Im November 2024 erschien im Deutschen Ärzteblatt ein Beitrag (Ärzteblatt-Artikel), in dem der Arbeitskreis Medizinischer Ethikkommissionen (AKEK) auf den zunehmenden Bedarf an forschungsethischer Beratung außerhalb der Medizin hinweist. Dieser Beobachtung ist uneingeschränkt zuzustimmen.

Problematisch ist jedoch die implizite Grundannahme des Artikels, dass forschungsethische Standards allein aus der Perspektive medizinischer Ethikkommissionen zu definieren seien. Die in anderen Disziplinen – etwa in den Sozialwissenschaften – etablierten Debatten, Verfahren und Gremien zur Forschungsethik werden im Text weitgehend ignoriert. Stattdessen erhebt der AKEK den Anspruch, allgemeingültige Maßstäbe auch für nicht-medizinische Forschung zu entwickeln – und verkennt dabei, dass solche Standards längst existieren, etwa in den Empfehlungen des RatSWD ( http://dx.doi.org/10.17620/02671.1)

Die Reaktionen aus den Sozialwissenschaften fielen entsprechend deutlich aus:
Das Netzwerk Ethikkommissionen in den Sozialwissenschaften (neks), dem auch Prof. Dr. Hella von Unger als Mitglied der gemeinsamen Ethikkommission (EK) von DGS und BSiD angehört, hat eine fundierte Stellungnahme veröffentlicht, der sich die EK von DGS und BSiD ausdrücklich anschließt. Auch die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) sowie der Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD) haben sich kritisch geäußert – siehe die Leserbriefe im Ärzteblatt sowie die Stellungnahme des RatSWD.

Wir halten fest: Forschungsethische Standards können nicht allgemeingültig aus der Perspektive einer Disziplin formuliert werden. Sie müssen aus den jeweiligen Gegenstandsbereichen heraus entwickelt werden und setzen vertiefte Erfahrung mit diesen voraus. Nur sachadäquat formulierte Ethikstandards werden sowohl den Erfordernissen der Forschung als auch den Belangen der beteiligten Personen gerecht. Nur wenn methodologische Vielfalt und disziplinäre Unterschiede ernst genommen werden, ist ein fruchtbarer interdisziplinärer Austausch möglich. Implizite Normen und Geltungsansprüche einzelner Fachtraditionen können dies nicht ersetzen.

Angesichts der hohen Relevanz ethischer Fragen in der soziologischen Forschung wird die EK von DGS und BSiD demnächst zu einer offenen Diskussionsveranstaltung unter dem Titel einladen. Mitglieder beider Verbände sowie interessierte Gäste sind herzlich eingeladen, Erfahrungen zu teilen, sich auszutauschen und gemeinsame Herausforderungen zu identifizieren.