Meldungen des Vorstands

SOZIOLOGIE Jahrgang 51 - Heft 4 - 2022

Aus dem Inhalt

  • Matthias Leanza, Axel T. Paul: Wie der Kolonialismus sich (nicht) denken lässt 
  • Armin Nassehi, Jochen Zenthöfer, Björn Hirschauer, Stefan Krey, Dirk Baecker: Symposion Plagiate
  • Marc Ortmann: Literatureffekte

Identität und Interdisziplinarität

Matthias Leanza, Axel T. Paul
Wie der Kolonialismus sich (nicht) denken lässt

Dieser Beitrag plädiert dafür, die soziologische Kolonialismusdebatte zu öffnen. Er zeigt, dass es einen systematischen Raum für eine soziologische Ausein­an­der­set­zung mit diesem Thema gibt, die reflexiv und kritisch verfährt, nicht aber deswegen schon auf post- und dekoloniale Theorien verpflichtet ist. Vielmehr gilt es, sich des ge­sam­ten im Fach verfügbaren Repertoires theoretischer, methodologischer und metho­di­scher Zugänge zu bedienen. In Reaktion auf frühere Beiträge in dieser Zeit­schrift werden drei Erkenntnishindernisse thematisiert, die einer solchen Öffnung im Wege stehen. Diese betreffen das Verhältnis von Fremdheit und Herrschaft, den Sta­tus der komparativen Methode und die Forderung nach paradigmatischer Schlie­ßung. Die angestrebte Öffnung geht über die Etablierung einer Speziellen Soziologie ko­lo­nialer Herrschaft hinaus, weil sie Grundfragen der Gesellschaftstheorie und des dis­ziplinären Selbstverständnisses berührt; sie beinhaltet die Auseinandersetzung mit post- und dekolonialen Theorien, bleibt aber nicht auf diese beschränkt.

This paper argues for a broadening of the sociological debate on colonialism. It shows that a systematic space for a sociological study of this topic exists that is re­flexive and critical without necessarily being committed to post- and decolonial theo­ries. Instead, we argue to make use of the entire repertoire of theoretical and me­tho­do­logical approaches available in the discipline. In response to earlier contributions in this journal, we address three epistemological obstacles that stand in the way of such an expansion. These pertain to the relationship between ›alien­ness‹ (Fremd­heit) and domination, the status of the comparative method, and the call for para­dig­matic closure. The expansion of the sociological debate on colo­nia­lism we have in mind goes beyond the establishment of a special sociology of co­lo­nial domination be­cause it touches on fundamental questions of social theory and the way we con­ceive of our discipline. In this way, we hope to initiate a broad scho­larly discourse on this topic that, while it includes post- and decolonial theories, is not limited to them.

Manuela Boatcă, Marius Meinhof
Was ist ›kolonial‹?

Eine abschließende Replik / A final response

Hier der Text von Leanza und Paul sowie die Entgegnung von Boatcă und Meinhof zum Download.

Forschen, Lehren, Lernen

Armin Nassehi, Jochen Zenthöfer, Björn Hirschauer, Stefan Krey, Dirk Baecker
Symposion Plagiate

Die Autoren setzen sich aus soziologischer, journalistischer und philosophischer Per­spek­tive mit dem Plagiat auseinander. Die Autoren thematisieren neben ver­schie­de­nen Ebe­nen, auf denen Plagiate festgestellt und sanktioniert werden können, auch die Grauzonen zwi­schen der intentionalen Vortäuschung einer Autorenschaft, der Nach­ah­mung und dem nach­lässigen Zitieren. Sie diskutieren die Implikationen des Thought Sharing ebenso wie den mit dem Plagiieren verbundenen Verzicht auf in­di­vi­du­elles wissenschaftliches Den­ken und die Entwicklung eines eigenen logischen Ichs.

The authors deal with plagiarism from sociological, journalistic and philosophical per­spec­ti­ves. The authors address various levels at which plagiarism can be detected and sanc­tio­ned, and also the grey areas between intentional pretence of authorship, imi­ta­tion and careless citation. They discuss the implications of thought sharing and raise the pro­blem of the abandonment of individual scientific thinking and the development of one’s own logisches Ich, both associated with plagiarism.

Marc Ortmann
Literatureffekte

These des vorliegenden Beitrags ist eine Zunahme von soziologischen Texten, die literarische Darstellungen nutzen und in dieser Weise der ›Entliterarisierung‹ trotzen. Um diese Verbindung von Literatur und Soziologie und literarischem und soziologischem Schreiben einzuordnen, wird das Konzept der Literatureffekte vorgestellt. Literatureffekte sind die (un-)bewusste Übernahme literarischer Dar­stel­lungen des Sozialen in soziologische Texte. Literatureffekte können sich über Mon­ta­gen aus literarischen Texten in soziologische einschreiben, sie können aber auch als hybride oder liminale Texte Mischformen von literarisch-soziologischem oder so­zio­logisch-literarischem Schreiben hervorbringen. Die unterschiedlichen Mög­lich­kei­ten an Literatureffekten werden an historischen wie aktuellen Beispielen nach­voll­zogen. Der Beitrag endet mit der Diskussion, inwiefern von einer Literarisierung soziologischer Texte gesprochen werden kann.

The thesis of this paper is the increase of sociological texts that make use of literary representations and in this way resist ›de-literarization‹. In order to classify this connection between literature and sociology, or literary and sociological writing, the concept of literature effects is introduced. Literature effects are the (un)conscious adoption of literary representations of society in sociological texts. Literature effects can inscribe themselves into sociological texts via montages from literary texts, but they can also produce hybrid forms of literary-sociological or sociological-literary writing as hybrid or liminal texts. The various possibilities of literary effects are tra­ced using historical and contemporary examples. The article concludes with a dis­cus­sion of the extent to which one can speak of a literarization of sociological texts.

DGS-Nachrichten

  • Aus dem DGS-Vorstand
  • Stellungnahme zum Plagiatsfall Koppetsch 
  • BMBF Forschungsförderung – Unklarheiten, Verzögerungen, Streichungen 
  • Veränderungen in der Mitgliedschaft 

Berichte aus den Sektionen und Arbeitsgruppen

  • Sektion Alter(n) und Gesellschaft 
  • Sektionen Europasoziologie und Kultursoziologie 

Nachrichten aus der Soziologie

  • Rita Bischof: In memoriam Elisabeth Lenk 
  • Habilitationen
  • Call for Papers
    • Klassenkörper. Zur Körpergeschichte sozialer Ungleichheit, 1770er- bis 1870er-Jahre
    • ›Frieden schließen‹: Multidis­zi­plinäre Ansätze zu Friedens- und Versöhnungsprozessen
  • Tagungen
    • My City is a Battleground: Intersectionality and Urban Violence   

Jahresinhaltsverzeichnis