Aus den Sektionen

CfP Frühjahrstagung ›Geschlechter des Sozialen: Dialoge zu Verortungen und Perspektiven soziologischer Theorien‹ (12./13.03.2026 in Dortmund)

 

Gemeinsame Frühjahrstagung der Sektionen "Frauen- und Geschlechterforschung" und "Soziologische Theorie"

Geschlechter des Sozialen: Dialoge zu Verortungen und Perspektiven soziologischer Theorien

Es ist ein soziologischer Gemeinplatz, die Allgegenwärtigkeit der Geschlechterverhältnisse zu konstatieren: Geschlecht, so ist spätestens seit der Popularisierung des›Doing-Gender‹Theorems seit den 1980er Jahren klar, wird in sozialen Praktiken und Diskursen permanent hergestellt, verhandelt, stabilisiert und verschoben. Geschlechterverhältnisse prägen gesellschaftliche Reproduktion, sozialen Wandel, Wissensproduktion und soziale Praktiken. Die Frauen- und Geschlechterforschung hat ihren Stellenwert als theoriegenerierendes Feld vor diesem Hintergrund immer schon begriffen und ernst genommen: Wichtige gesellschaftstheoretische Diagnosen, wie etwa die›doppelte Vergesellschaftung von Frauen‹(Regina Becker-Schmidt), die Einbindung in die›heterosexuelle Matrix‹(Judith Butler) oder die Problematisierung der Annahme von›Arbeit aus Liebe‹nbsp;(Gisela Bock und Barbara Duden) sind längst zum Kernbestand soziologischer Reflexion avanciert. Gleichzeitig werden Frauen- und Geschlechterforschung sowie die feministische Theorie auch heute noch häufig als Spezial- oder Sonderdiskurse gesehen und gesellschafts- wie sozialtheoretisch selten systematisch berücksichtigt. Geschlechterforschung gehört als›dissidente Partizipierende‹nbsp;(Sabine Hark) mittlerweile zwar zum Kern der Soziologie, ihre Theorieproduktion hat in der Disziplin allerdings allenfalls den Status einer›eingebundenen Außenseiter:in‹(Patricia Hill Collins): eine Einordnung, die möglicherweise selbst Ausdruck eines epistemischen Ungleichverhältnisses ist und zur kritischen Reflexion theoretischer Kanonbildung auffordert.

Die geplante Tagung soll stärker als dies bislang häufig geschieht, zur wechselseitigen Irritation anregen: Allgemeine soziologische Theorie und Ergebnisse der Geschlechterforschung sowie Kernthemen feministischer Theorien sollen in einen produktiven, kritischen, kontroversen Dialog treten. Die geplante Tagung möchte damit die Trennung von allgemeiner Gesellschaftstheorie, soziologischer Theorie und Sozialtheorie auf der einen und›besonderer‹Geschlechterforschung und feministischer, queerfeministischer und intersektionaler Theorie auf der anderen Seite herausfordern. 

Dabei geht es uns erstens darum, den gesellschaftstheoretischen Stellenwert geschlechtertheoretischer Wissensbestände zu befragen. Wie wird die relative Relevanz von›Geschlecht‹als Struktur-, Prozess- und Praxiskategorie in Gesellschaftstheorien aufgenommen – und wie werden dabei ihre intersektionalen Verwobenheiten mit anderen Differenz- und Herrschaftsverhältnissen mitgedacht oder übersehen? Welcher Stellenwert wird diesen Verhältnissen eingeräumt: Wird sie als Dimension sozialer Ungleichheit mit verhandelt oder Gesellschaft als Totalität zugeschrieben (etwa im Sinne des Patriarchats) – oder etwas dazwischen? Wir möchten diskutieren, wie diese und verwandte Fragen und theorieimmanenten Entscheidungen die Gesellschaftstheorie prägen und informieren. Welche gesellschaftstheoretischen Angebote, die bislang kaum geschlechtersoziologische, queertheoretische oder intersektionale Bezüge hergestellt haben, bieten Anschlüsse, welche sperren sich aber auch theorieimmanent, wie zeigt sich dies und aus welchen Gründen? Was sind die Implikationen der jeweiligen Entscheidungen und welche Auslassungen werden jeweils mit welchen Konsequenzen in Kauf genommen? Wie lässt sich vielleicht dialogischer theoretisieren?

Zweitens interessieren uns sozialtheoretische Fragen: Wie kann die Konstellation der Geschlechterverhältnisse hier zum Tragen kommen? Wo ist ihr Platz in den Bestimmungen dessen, was als ›sozial‹gilt und wie können die Grenzen des Sozialen ausgelotet werden? Welche Anregungen bietet das theoretische Instrumentarium der Frauen- und Geschlechterforschung zur Beschreibung performativer und epistemischer Machtverhältnisse, etwa für praxis- oder subjektivierungstheoretische Ansätze? Welche allgemeinen Einsichten zum Verhältnis von Performativität, Materialität, Leiblichkeit und Diskurs lassen sich auf sozialtheoretischer Ebene formulieren? 

Drittens schließlich zielt die Tagung auf eine allgemeine Öffnung theoretischer Debatten und auf theorieübergreifende Experimente. Unsere Annahme ist, dass soziologische Theorie und Gesellschaftstheorie von einem stärkeren Dialog mit feministischer Theorie und geschlechtertheoretischen Fragen nur profitieren kann, um strukturierende Effekte intersektionaler Macht- und Herrschaftsverhältnisse umfassend in den Blick zu nehmen. Zu fragen ist allerdings, wie solche Konversationen fruchtbar gemacht werden können: Wir laden dazu ein, Theorievergleiche, empirisch-theoretische Dialoge, Theoriekonstruktionen und -dekonstruktionen, kritische Analysen bestehender theoretischer Ansätze und Feldexplorationen zur Diskussion zu stellen.

Wichtige Felder in diesem Zusammenhang könnten sein:

  • Fragen nach dem Gegenstandsbereich der Disziplin: Gesellschaft / das Soziale, Akteur /Subjekt
  • Kollegialität / Streit / produktiver Streit
  • Wissenschaftstheorie / Wissenschaftspolitik / Infragestellungen von Wissenschaftsfreiheit
  • Arbeitsverhältnisse
  • Symbolische Ordnung
  • Naturverhältnisse
  • Migrations- und Grenzregime
  • Autoritarismus
  • Emotionen und Affekte
  • Bildung und Sozialisation
  • Medien- und Repräsentationskritik
  • Gewalt und Sicherheitsregime

Wir freuen uns über Abstracts für Vortragsvorschläge im Umfang von maximal einer Seite bis zum 10.10.2025 an: k.hoppe(at)em.uni-frankfurt.de

Organisator:innen: Fabian Anicker, Katharina Block, Ulf Bohmann, Folke Brodersen, Katharina Hoppe, Nina Hossain, Mona Motakef, Tina Spies

Bestätigte Keynotes

Vortrag: Angelika Poferl (Dortmund); Podium: Paula-Irene Villa-Braslavsky (München), Lars Gertenbach (Osnabrück)