Noch bezieht die Mehrheit der Menschen im Alter eine auskömmliche Rente oder Pension, und bis in die jüngste Vergangenheit ging das Ausmaß der Altersarmut zurück. Jedoch hat sich dieser Trend inzwischen umgekehrt: Bereits mehr als 17 Prozent der Menschen im Ruhestand sind armutsgefährdet, Tendenz steigend. Mit Armutslagen gehen in der Regel Verschlechterungen von Gesundheitsstatus und -versorgung, Wohnverhältnissen und sozialen Beziehungen sowie ein Rückgang der sozialen und politischen Partizipation und Vieles mehr einher.
Anders als Armut bei Kindern und Familien wird im öffentlichen Diskurs Armut älterer Menschen oft als selbstverschuldet etikettiert, vor allem aus neoliberaler Perspektive häufig verbunden mit der Mahnung zur rechtzeitigen individuellen Vorsorge durch private Sparpläne und Kapitalanlagen. Altersarmut als Folge demographischer Faktoren und individuellem Vorsorgeverhalten zu modellieren, wird aber auch deutlich kritisiert, weil etwa die soziale Realität prekarisierter Arbeitsverhältnisse ignoriert wird: Einer zunehmenden Zahl von Geringbeschäftigten und Niedrigeinkommensbeziehenden ist es weder möglich, ausreichende Rentenanwartschaften zu erwerben, noch private Zusatzversorgung in ausreichender Höhe aufzubauen. Eine wünschenswerte theoretische und empirische Weiterführung von kritischen Ansätzen aus der Soziologie bleibt zu diesem Thema bislang noch zu wenig bearbeitet bzw. zu wenig beachtet.
Vor diesem Hintergrund sollen die aktuellen Ausmaße sozialer Ungleichheit und Armut im Alter analysiert und diskutiert werden. Dabei sind neben der detaillierten Deskription als Grundlage für sozialpolitische Entscheidungen sowohl Ursachen in den Blick zu nehmen, als auch die medial diskutierten Argumente kritisch zu hinterfragen. Zudem sind konzeptionelle Ansätze zu soziologischen Theorien zu Ungleichheit und Alter(n) gefragt, die explizit nicht-ökonomische Diskussionsstränge einbeziehen. Außerdem sind Folgen von Epidemien, Kriegen und Inflation, intersektionale sowie sozialarbeiterisch relevante und gemeindebezogene Ansätze in den Blick zu nehmen.Es werden Beiträge zu Altersarmut, Exklusion, Altersgrenzen und Deprivation sowie zu Umverteilungsmechanismen der Alterssicherung und zu Ageism und Altersdiskriminierung erbeten. Gefragt sind ferner Studien zu Lebenslaufperspektiven zum Erfolg individualisierter Altersvorsorge sowie zu folgenden, exemplarischen Fragen:
- Welche Gruppen haben heute und zukünftig ein erhöhtes Risiko, im Alter arm zu sein?
- Welche Zusammenhänge bestehen zwischen horizontalen und vertikalen Dimensionen sozialer Ungleichheit?
- Wie wirken sich Intersektionalitäten im Alter aus, z.B. auf Gesundheit, Pflegequalität, Sozialkapital?
- Welche biografischen Befunde liegen zur Altersarmut vor, was bieten Längsschnittstudien (Alterssurvey, SOEP, SHARE)?
- Vor welchen Aufgaben steht die kommunale Sozialpolitik bezüglich der Altersarmut (Daseinsvorsorge)?
- Welche Hilfen der Sozialen Arbeit für und mit älteren Menschen sind wirksam und gefordert?
- Welche soziologischen Theorien sind gefordert, welche Alter(n)stheorien sind nutzbar bzw. weiterzuentwickeln?
Willkommen sind sowohl theoretisch-konzeptionelle als auch empirische Beiträge. Bitte senden Sie Ihr Vortragsangebot im Umfang von max. einer Seite (max. 350 Wörter) bis zum 15. Januar 2023 an abstractsnbb(at)alternssoziologie.de