Jahrestagung der Europasoziologie in Kooperation mit der Sektion Sozialpolitik in der DGS
Die europäischen Krisen der letzten Jahre hatten und haben einen erheblichen Einfluss auf das Verhältnis von Schließung oder Öffnung nationaler Wohlfahrtssysteme. Zum einen verändert(e) die Finanz- und Staatsschuldenkrise nicht nur in den von ihr unmittelbar betroffenen Mitgliedsländern die Wahrnehmung von Handlungsspielräumen: knapper werdende Budgets, stärker werdender Einfluss europäischer Instanzen und erleichterte Durchsetzung von Austeritätspolitiken führten zu sozialpolitischen Anpassungen ungekannten Ausmaßes. Zum anderen werden durch die Legitimitätskrise der EU selbst deren Kompetenzen zunehmend in Frage gestellt und nationale politische Entscheidungen aufgewertet. Durch diese Krisen hervorgerufen sind nunmehr Fragen zum Zusammenhang von Europäisierung und sozialer Sicherung deutlich stärker politisiert als noch vor wenigen Jahren. Zugleich ist davon auszugehen, dass der Umgang mit den Krisen in den Ländern sehr unterschiedlich ausfällt.
Bedeutsam sind aber nicht nur die krisenbedingten Prozesse institutionellen Wandels, sondern auch deren soziale Folgen. Das gilt sowohl innerhalb nationaler Systeme sozialer Sicherung als auch in trans- und supranationaler Perspektive. Die Relativierung nationaler Protektionsräume (Arbeitsmärkte, Sozialsysteme, Währungsräume, Gütermärkte, politische Institutionensysteme etc.) führt zu einer Vielzahl von Bewegungen und Handlungen sozialer Akteure in europäischen Sozialräumen und hat entsprechende grenzüberschreitende Handlungsfolgen. Das macht Kollisio-nen von Interessen, Zielen, Mitteln, Verhalten oder Einstellungen sozialer Akteure wahrscheinlicher, die in ihrer Ausdehnung bzw. Reichweite die etablierten nationalen Konfliktrahmen überschreiten.
Die gemeinsame Tagung der DGS-Sektionen Sozialpolitik und Europasoziologie untersucht den Einfluss der europäischen Krisen auf das Verhältnis von Offenheit und Geschlossenheit von Systemen sozialer Sicherung und widmet sich dem Anteil dieses Einflusses am generellen sozialstaatlichen und sozialstrukturellen Wandel in Europa.