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Wider die Kriminalisierung von Wissenschaft

Sektion Stadt- und Regionalsoziologie in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie

Mit dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach § 129a StGB ist am 31. Juli ein geschätztes und anerkanntes Mitglied unserer Sektion verhaftet worden. Das Sprechergremium der Sektion Stadt- und Regionalsoziologie ist über die Begründung der Verhaftung entsetzt und verurteilt die Begründung des Haftbefehls. Dieser steht für eine Ausweitung der Terrorismus-Ausnahmegesetzgebung auf wissenschaftliche Stadtforschung.  

Der Sprecherrat der Sektion Stadt- und Regionalsoziologie kritisiert insbesondere, dass die langjährige, anerkannte wissenschaftliche Tätigkeit von Andrej. H. als Begründung für den ergangenen Haftbefehl herangezogen wird:

  • Als Verdachtsmoment wird eine von Andrej H. im Jahr 1998 veröffentliche wissenschaftliche Abhandlung angeführt. Diese enthalte "Schlagwörter und Phrasen, die in Texten der "Militanten Gruppe" (mg) gleichfalls verwendet werden.  
  • Zentral wird Andrej H., soweit bisher bekannt, zum Vorwurf gemacht, dass er Forschungen zur "Gentrification" realisiert habe. "Gentrification" ist seit mehr als 40Jahren ein wichtiges Forschungsfeld der Stadtforschung. Dieser Vorwurf kriminalisiert die Vielzahl der Forscher, die seit Jahren in diesem Themenfeld arbeiten! 
  • Als promovierter Soziologe sei Andrej H. zudem "intellektuell in der Lage, die anspruchsvollen Texte der Militanten Gruppe zu verfassen". 

Mit dieser Begründung für einen Haftbefehl wird sozialwissenschaftliche Forschungunmittelbar dem Terrorismusverdacht ausgesetzt. Dies ist eine Beleidigung fürwissenschaftlich Tätige. Wenn die bekannt gewordene Begründung als Indiz für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ausreicht, wird die Stadtforschung an Hochschulen und Instituten unter Generalverdacht gestellt.  

Der Sprecherrat der Sektion Stadt- und Regionalsoziologie in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie fordert die Verantwortlichen auf, wissenschaftliche Forschung nicht mit Terrorismus gleichzusetzen. Wenn kritische Forschung ausreichen soll, jemanden in Haft zu nehmen, liegt die Vermutung einer Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien nahe. Vor diesem Hintergrundhaben wir den Eindruck, dass die Behörden mit der Untersuchungshaft überzogen reagiert haben und fordern, Andrej H. auf freien Fuß zu setzen und das Verfahren "zivilisiert" durchzuführen.

Für die Sektion Stadt- und Regionalsoziologie:  

  • PD Dr. Christine Hannemann, Berlin, Sprecherin der Sektion  
  • Prof. Dr. Herbert Schubert, Köln, 1. stellvertr. Sprecher
  • Prof. Dr. Andreas Pott, Osnabrück, 2. stellvertr. Sprecher