Plenumssitzung auf dem 34. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie: "Unsichere Zeiten. Herausforderungen gesellschaftlicher Transformation"
Der globale Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen globaler Zivilisation. Reaktionen gleich ob als Anpassung oder Abmilderung fordern gesellschaftliche Entwicklungsdynamiken in noch nicht überschaubaren Ausmaß ein bzw. beginnen sie bereits in der Gegenwart frei zusetzen. Dieser globalen Verändungsdynamiken will sich das Plenum auf zwei Wegen nähern: Einmal sollen die sozialen
Konzepte der auf den Klimawandel und insbesondere der auf das Leitbild einer "Carbon-free-Society" ausgerichteten Transformation der Gesellschaft diskutiert werden. Zum andern sollen die Folgen heutiger Klimapolitik am Beispiel der globalen Hinwendung zur Bio-Energie thematisiert werden. Gemeinsame Klammer des Vorgehens sind soziologische Fragestellungen zur gesellschaftlichen Eingebundenheit der Antworten auf die Klimaherausforderungen sowie Voraussetzungen und Folgen des dadurch hervorgerufenen sozialen Wandels.
Der erste Annäherungsweg an das Thema Klimawandel nimmt die Herausforderungen an die Soziologie als Wissenschaft auf, Muster, Verläufe und Gestaltungsansätze gesellschaftlicher Veränderungen im Energiesektor im Kontext nachhaltiger Entwicklung zu analysieren und selbstreflexiv zu diskutieren. Von besonderer Relevanz sind hierfür etwa neuere Ansätze des sozialökologischen und soziotechnischen
Wandels als auch praxisorientierte Perspektiven des gezielten Managements und der Governance entsprechender Transformationen.
In dem zweiten Annäherungsweg werden Voraussetzungen und Folgen globaler Bio-Energie- und Rohstoffpolitik diskutiert. Eingebettet in unterschiedliche gesellschaftliche Zusammenhänge, angetreten mit einem umfassenden Entwicklungsanspruch (neue Institutionen, Techniken usw.), lassen diese Politik kaum einen gesellschaftlichen Bereich von nationalen und internationalen Verteilungseffekten, Markt- und Machtverschiebungen bis hin zur Veränderungen von Zugangs- und Nutzungsmöglichkeiten von Flächen oder der Einbeziehung von Subsistenzproduktionen in veränderten Markt oder Machtbeziehungen unberührt.
Zu beiden Perspektiven sollen folgende Fragen diskutiert werden:
- Welchen Beitrag zum gesellschaftlichen Umgang mit den Herausforderungen des Klimawandels kann Soziologie leisten? Wie lassen sich Transformationen vor allem im weiten Zwischenbereich von pfadabhängiger Kontinuität und radikalen, durch exogene Schocks ausgelösten Brüchen konzeptualisieren? Welche Rolle spielen dabei etwa Konzepte der Pfadkreation, des Regime Change oder gradueller institutioneller Transformationen? Welche Beiträge leisten (internationale) Weiterentwicklungen umweltsozialwissenschaftlicher Perspektiven wie ökologische Modernisierung oder umwelttechnologische Innovationsforschung? Und wie können solche Umgestaltungsperspektiven aus soziologischer Perspektive gezielt in Gang gesetzt und gestaltet werden. Auch Fragen nach der gesellschaftlichen Eingebundenheit, regionalen Begrenztheit, unbeabsichtigter Nebenfolgen aktueller Konzepte und Entwicklungen sollen Gegenstand der Diskussion sein.
- Welche gesellschaftlichen Prozesse haben im Kontext des Klimawandels zur Konjunktur der Bio-Energie-Politik geführt? In welchen gesellschaftlichen Kontexten sind die jeweiligen Umsetzungen der Bio-Energie-Politik eingebunden? Welche energiepolitischen, (welt-)wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen induziert der politische Bio-Energie-Ansatz in verschiedenen Weltregionen? Wie verändert sich die Macht- und Wohlfahrtsverteilung? Welche neuen Unsicherheiten produzieren die erneuerbaren Rohstoffstrategien? Welche (un)beabsichtigten gesellschaftlichen Folgen impliziert die Bio-Energiepolitik? Dient diese Politik möglicherweise gar der Verlagerung von Anpassungsnotwenigkeiten in der so genannten Ersten Welt in andere Weltregionen?
Durch die gemeinsame Diskussion der skizzierten Perspektiven und Fragestellungen will das Plenum einen Beitrag leisten zu einem tieferen Verständnis der laufenden Transformationsprozesse von Energiesystemen im Kontext von Klimawandel und nachhaltiger Entwicklung, ihrer Voraussetzungen, Dynamiken und Folgen sowie der Identifikation von Gestaltungspotentialen.
Juroren: Prof. Dr. Dieter Neubert (Uni. Bayreuth), Prof. Dr. Ortwin Renn (Uni. Stuttgart)
Kontakt
Harald Heinrichs: harald.heinrichs(at)uni-lueneburg.de
Heinrich Becker: heinrich.becker(at)fal.de
Johannes Weyer: johannes.weyer(at)uni-dortmund.de