Die Entwicklung der Medien- und Kommunikationssoziologie ist seit drei Jahrzehnten von einem grundlegenden Wandel der (Massen-)Kommunikation und ihrer Medien gekennzeichnet. Im Zuge dieser Entwicklung haben sich eine Reihe neuer Fragestellungen und Perspektiven ergeben, die nicht nur zu einer Erweiterung des Forschungsfeldes geführt haben. Vielmehr geht diese Erweiterung auch mit neuen theoretischen und methodologischen Herausforderungen einher, die wesentlich durch den Einsatz und die Verbreitung digitaler Technologien hervorgerufen wurden. Doch scheinbar allem digitalen Wandel zum Trotz, zeigt sich gerade auch unter den sogenannten post-sozialen Bedingungen der Gegenwart die ungebrochene Aktualität der klassischen Grundfrage der Medien- und Kommunikationssoziologie, nämlich die nach dem Verhältnis von medialer Kommunikation und soziale Wirklichkeit. Denn nach wie vor gilt, dass die gesellschaftliche Wirklichkeit durch das kommunikative Repertoire – ob visuell, filmisch, sprachlich, algorithmisch, analog oder sonstig – mitbestimmt ist. Und ob nun unter den digitalen Bedingungen der Gegenwart ein erneuertes Verständnis von Medien und Wirklichkeit erforderlich wird, ist die Ausgangsfrage, zu der wir mit diesem Call einladen möchten, um mit den je eigenen aktuellen Forschungsprojekten oder je spezifischen Perspektiven und Zugangsweisen Stellung zu beziehen.
Die Forschungen im Bereich der Medien- und Kommunikationssoziologie verfolgen diese Frage nach dem Verhältnis von medialer Kommunikation und sozialer Wirklichkeit auf ganz unterschiedlichen Terrains: Mikrofundierte Ansätze widmen sich beispielsweise den kommunikativen Prozessen zwischen menschlichen und nicht menschlichen Akteur:innen; kommunikationstheoretische Ansätze fokussieren auf den Strukturwandel von Öffentlichkeit; die Soziologie digitaler Spiele untersucht u.a. die Medienproduktionsprozesse von Computerspielen, sowohl was deren technische Entwicklung betrifft als auch die Aushandlung von Diversitätsthemen auf den Hinter- und Vorderbühnen der Spielewelten; mit den Ansätze des New Materialism findet eine grundlegende Begriffsarbeit im Hinblick auf Kommunikation für und durch Sozialität statt und medienästhetische Perspektiven erschließen die Spielräume sozialen Wissens in visuellen und filmischen Artefakten von Augenzeugenvideos bis hin zu den Deepfake-Videos und tragen damit nicht unwesentlich auch zu einer Modifizierung und Ausdifferenzierung des methodischen Handwerks der Medien- und Kommunikationssoziologie bei.
Um Forschungen aus diesem breiten Themenspektrum stärker in den Dialog zu bringen, gibt die Sektion Medien- und Kommunikationssoziologie für ihre Jahrestagung 2023 keinen thematischen Fokus vor, sondern ist vielmehr offen für alle Beitragsvorschläge, die über ihre je eigene aktuelle Forschung die konstitutive Frage nach dem Verhältnis von medialer Kommunikation und sozialer Wirklichkeit mit reflektieren. Hierbei kann es sich sowohl um unterschiedliche theoretische Perspektiven oder methodologische Fragen als auch um empirische Analysen aktueller Entwicklungen handeln. Das heißt, dieser Call richtet sich an alle medien- und kommunikationssoziologisch Forschenden sämtlicher Karrierestufen (verschiedener Sektionen, Fächer und Disziplinen, innerhalb und außerhalb der Akademia).
Die Jahrestagung 2023 dient demnach der Bestandsaufnahme und bietet zugleich Gelegenheit für Begegnungen sowie die Entdeckung neuer Themen und Projekte.
Die Jahrestagung der Sektion Medien- und Kommunikationssoziologie der DGS wird vom 5.10.– 6.10.2023 am Kulturwissenschaftlichen Institut (KWI) in Essen stattfinden. Die Vorträge sollen einem Umfang von ca. 20 Minuten haben, wobei ausreichend Diskussionszeit vorhanden sein wird. Eine Publikation der Beiträge ist geplant.
Ein Reisekostenzuschuss für Early Career Researcher und prekär Beschäftigte ist – im Rahmen der Möglichkeiten des Sektionsbudgets – auf Antrag an den Sektionsvorstand vorgesehen.
Der Sektionsvorstand bittet um die Zusendung von Vortragsabstracts bis zum 31.05.2023 (Word-Datei, max. 2.500 Zeichen, Kurz-CV) an: anja.peltzer(at)uni-mannheim.de und udo.goettlich(at)zu.de.