Aktuell

Call for Abstracts: Klimakrise, Kritik und der Geist des Kapitalismus

Deadline: 01.04.2023

Organisation: Gregor Kungl, Eltje Gajewski


Im Angesicht der ökologischen Herausforderungen der Gegenwart wie Klimawandel und Artensterben wird das Spannungsverhältnis zwischen kapitalistischer Wirtschaftsweise und einer ökologisch nachhaltigen Entwicklung immer deutlicher. Auch in der soziologischen Debatte gewinnt das Thema zunehmend an Gewicht (u.a. Neckel et al. 2022; Lenz 2022). Dabei dominiert bislang ein problematisierendes Framing, das die Fähigkeit der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, diesen Herausforderungen gerecht zu werden, fundamental in Frage stellt (etwa Dörre 2019; Blühdorn 2018). In der Ad-Hoc-Gruppe soll in Abgrenzung hierzu weniger die Frage gestellt werden, ob sich die ökologische Krise im Rahmen der hergebrachten systemischen Logiken lösen lässt, sondern vielmehr wie sie von verschiedenen Akteuren und gesellschaftlichen Gruppen tatsächlich bearbeitet wird. Trägt die ökologische Krise zu einer grundlegenden Transformation kapitalistischer Sinnstrukturen bei oder beobachten wir die Herausbildung eines ›grünen kapitalistischen Geistes‹ im Sinne einer Subsumption von ökologischen Sinngehalten unter das kapitalistische Wirtschaftsethos (Kungl 2022; Goldstein 2018; Neckel 2018)?
Wir begrüßen Einreichungen, die auf originärer empirischer Forschung fußen und sich mit der ideellen Ebene wirtschaftlichen Handelns auseinandersetzen. Als theoretische Bezugspunkte können unter anderem das Konzept vom Geist des Kapitalismus (Sombart 1913; 1916; Weber 1920; Boltanski/Chiapello 2003) sowie verschiedene Ansätze der Konventionssoziologie (Bolkanski/Thévenot 2007; Knoll 2014), des soziologischen Neo-Institutionalismus (Gibel et al. 2021; Hasse/Krücken 2013) oder der neuen Wirtschaftssoziologie (Beckert 2013; Deutschmann 2019) dienen.
Mögliche Beiträge befassen sich mit Themen wie:
- Der ideellen Verarbeitung von ökologischer Kapitalismuskritik in Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft
- Dem Einfluss neuer Protestformen auf das ideelle Fundament des Kapitalismus
- Dem Beharrungsvermögen kapitalistischer Kernlogiken wie Technik- und Fortschrittsoptimismus, ökonomischer Rationalität oder Wachstumsideal im Angesicht der Klimakrise
- Veränderungen der Legitimitätsbasis des Kapitalismus in der Klimakrise
Damit möchten wir zu der übergeordneten Frage nach den Beharrungskräften etablierter Institutionen und Denkweisen in Zeiten der Krise beitragen und die Dynamiken von (Klima-)Krise, (Wachstums-)Kritik und den vorherrschenden Vorstellungen zu deren Lösung diskutieren.


Bitte schicken Sie Abstracts für Beitragsvorschläge von max. 2.500 Zeichen bis zum 1. April 2023 an gregor.kungl(at)sowi.uni-stuttgart.de und eltje.gajewski(at)uni-due.de.
Die Auswahl der Beiträge erfolgt voraussichtlich bis Mitte April 2023.


Referenzen:
Beckert, J. (2013). Imagined futures: fictional expectations in the economy. Theory and Society 42, 219–240.
Blühdorn, I. (2018). Nicht-Nachhaltigkeit auf der Suche nach einer politischen Form. Konturen der demokratischen Postwachstumsgesellschaft. Berliner Journal für Soziologie 28, 151–180.
Boltanski, L. & Chiapello, È. (2003). Der neue Geist des Kapitalismus. Konstanz: UVK.
Boltanski, L. & Thévenot, L. (2007). Über die Rechtfertigung. Eine Soziologie der kritischen Urteilskraft. Hamburg: Hamburger Edition.
Deutschmann, C. (2019). Kapitalistische Dynamik. Eine gesellschaftstheoretische Perspektive. Wiesbaden: Springer VS.
Dörre, K. (2019). Risiko Kapitalismus. Landnahme, Zangenkrise, Nachhaltigkeitsrevolution. In K. Dörre, H. Rosa, K. Becker, S. Bose, B. Seyd (Hrsg.), Große Transformation? Zur Zukunft moderner Gesellschaften. Sonderband des Berliner Journals für Soziologie, 3–35.
Gibel, R., Arnold, N., Hasse, R., Mormann, H. (2021). Nicht ganz passend? Moral und Organisation im Neo-Institutionalismus. In A. Armbruster, C. Besio (Hrsg.), Organisierte Moral. Zur Ambivalenz von Gut und Böse in Organisationen. Wiesbaden: Springer VS, 131–160.
Goldstein, J. (2018). Planetary Improvement. Cleantech Entrepreneurship and the Contradictions of Green Capitalism. Cambridge; London: MIT Press.
Hasse, R. & Krücken, G. (2013). Competition and Actorhood: A Further Expansion of the Neo-institutional Agenda. Sociologica Internationalis 51, 181–205.
Knoll, L. (Hrsg.) (2014). Organisationen und Konventionen. Die Soziologie der Konventionen in der Organisationsforschung. Wiesbaden: Springer VS.
Kungl, G. (2022). Ein grüner Geist des Kapitalismus? Konturen einer neuen Wirtschaftsgesinnung. Glückstadt: Verlag Werner Hülsbusch.
Lenz, S. (2022). The digital spirit of green capitalism. How the European Union tries to save ecological modernization. Culture, Practice & Europeanization, 166–191.
Neckel, S. (2018). Die Gesellschaft der Nachhaltigkeit. Soziologische Perspektiven. In S. Neckel et al. (Hrsg.), Die Gesellschaft der Nachhaltigkeit. Umrisse eines Forschungsprogramms. Bielefeld: transcript Verlag, 11–24
Neckel, S., Degens, P., Lenz, S. (Hrsg.) (2022): Kapitalismus und Nachhaltigkeit. Frankfurt am Main: Campus.
Sombart, W. (1913). Der Bourgeois. München; Leipzig: Duncker & Humblot.
Sombart, W. (1916). Der moderne Kapitalismus. Band I. Die vorkapitalistische Wirtschaft. Erster Halbband. München; Leipzig: Duncker & Humblot.
Weber, M. (1920). Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. Band I. Tübingen: Paul Siebeck.